Gastkommentar von Johannes Huber. Steht der Ex-Kanzler vor einem Comeback? Gewisse Entwicklungen können ihn hoffen lassen.
Es ist offensichtlich, dass es Sebastian Kurz nicht lassen kann. Auch zweieinhalb Jahre nach seinem Abschied aus der Politik äußert sich der ehemalige Kanzler und ÖVP-Chef immer wieder medienöffentlich zu dieser. Zuletzt sogar in einer bemerkenswerten Art und Weise: Der 37-Jährige bemühte sich, Geschichte umzudeuten. Bei einem Businesstalk in Wien bedauerte er, nach Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ im Mai 2019 die Koalition mit Heinz-Christian Strache und den Freiheitlichen beendet zu haben. Die Informationslage sei schlecht gewesen. Gerüchten zufolge hätte noch mehr kommen sollen. Zumindest ebenso wichtig: Kurz gab sich versöhnlich gegenüber Herbert Kickl (FPÖ). Mit diesem habe er keine Rechnungen offen.
Das gehört zunächst einmal zurechtgerückt: Nach Veröffentlichung des Videos hatte er die Worte „Genug ist genug“ ausgesprochen. Schon bis dahin habe er einiges ertragen müssen, was für ihn persönlich nicht immer einfach gewesen sei. Die von Strache in dem Video geäußerten Ideen des Machtmissbrauchs seien jedoch zu viel gewesen.
Das will Kurz heute offenbar nicht mehr so sehen. Wobei: Gut möglich, dass er sich auch damals nur um einen Vorwand bemüht hat, um sich in Neuwahlen stürzen zu können. Im Wissen, dass die FPÖ abstürzen und er mit der ÖVP triumphieren würde, wie es dann auch gekommen ist.
Dass er die Geschichte jetzt umzudeuten versucht, ist ein starker Hinweis darauf, dass er sich für ein Comeback anbietet. „Die ÖVP wird ihn nie im Leben zurücklassen“, mögen Politikbeobachterinnen und -beobachter einwenden, sie sollten sich dessen nur nicht zu sicher sein.
Wenn die ÖVP bei der Nationalratswahl Ende September von der FPÖ von Platz eins verdrängt wird, schaut die Sache schon etwas anders aus. Und wenn das dann ein paar Wochen später auch bei der Landtagswahl in der Steiermark der Fall sein sollte, erst recht. Kurz kann dann hoffen lassen, dass der derzeitige ÖVP-Obmann, Kanzler Karl Nehammer eine Zusammenarbeit mit Kickl ausgeschlossen hat, aber keine andere Option hat, zumal er ja auch mit der Andreas Babler-SPÖ sowie Leonore Gewessler-Grünen nicht möchte.
Und selbst wenn sich Nehammer dann verabschieden würde: Es gibt in der ÖVP kein starkes Lager mit einer Politik, die eine Alternative zu Blau-Türkis möglich erscheinen lässt. Im Gegenteil, von Asyl bis zunehmend auch Europa und vor allem Klima rücken Türkise den Blauen näher.
In den großen ÖVP-Ländern Nieder- und Oberösterreich arbeiten sie bereits mit diesen zusammen, in der Steiermark sind sie einer solchen Koalition nahe, um nach der Landtagswahl im Spätherbst zumindest noch den stellvertretenden Landeshauptmann stellen zu können.
Auf Bundesebene fehlt ihr nur ein geeigneter Mann, eine geeignete Frau dafür. So wie sich Nehammer jetzt gegen Kickl stellt, wird er sich schwer auf ein Bündnis mit ihm einlassen können. Das weiß Kurz: Er hat gerade deutlich gemacht, dass er dafür zu haben wäre. Im Übrigen weiß er, dass die Not der Landeshauptleute, die in der ÖVP bestimmend sind, so groß ist, dass das Ganze alles andere als aussichtlos ist für ihn.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik