Gastkommentar von Johannes Huber. Kickl und Nehammer übertreiben es mit der Art und Weise, mit der sie sich an Klimaschutzministerin Gewessler abarbeiten. Grund: Es ist Wahlkampf.
Zu den übelsten Bezeichnungen, die FPÖ-Chef Herbert Kickl bisher für andere Politikerinnen und Politiker gewählt hat, zählt „Öko-Hexe“. Es bezieht sich auf die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Ob es aus seinem Innersten kommt, ist schwer zu sagen. Sicher ist nur, dass es Teil einer Strategie ist. Wie dieses „Öko-Kommunismus“, das gerade auf den EU-Wahlplakaten seiner Partei zu lesen war.
Ziel ist es, all jene Wählerinnen und Wähler zu umwerben, die den Klimawandel in Zeiten multipler Krisen sowie ebensolcher Sorgen und Nöte einfach Klimawandel sein lassen wollen; die nicht auch noch damit konfrontiert werden wollen; die sich schon gar nicht von Akademikerinnen und Akademikern aus der Großstadt Wien sagen lassen wollen, dass es besser wäre, auf der Autobahn höchstens 100 km/h zu fahren oder überhaupt auf Verbrennungsmotoren zu verzichten.
Die Akademikerinnen und Akademiker aus der Großstadt Wien, die trotzdem immer wieder mit solchen Dingen daherkommen, sind Grüne im Allgemeinen und Klimaschutzministerin Gewessler im Besonderen. Wer sie als „Öko-Hexe“ bezeichnet, versucht Unmut zu bündeln, riskiert, dass er sich eines Tages an ihr persönlich entlädt. Aber das wird ganz offensichtlich in Kauf benommen. Stimmenmaximierung ist wichtiger.
Die ÖVP, die sich gerne staatstragend gibt, empört sich nicht darüber. Sie bemüht sich, dieselben Wählerinnen und Wähler wie Kickl zu umwerben. Klimaschutz steht ihr, steht ihrem Obmann, Kanzler Karl Nehammer dabei schon lange im Weg. Daher hat er schon im vergangenen Frühjahr angefangen, Österreich als Autoland zu bezeichnen und Verbrennungsmotoren zu preisen.
Und jetzt wirft er Gewessler Verfassungsbruch vor, weil sie im EU-Umweltrat gegen den Willen der ÖVP einem Renaturierungsgesetz zugestimmt hat. Ihre Vorgangsweise ist nicht unproblematisch, gehört genauer untersucht. Aber war es wirklich Verfassungsbruch? Kann man das jetzt schon sagen?
Die ÖVP blufft, es herrscht Wahlkampf: Wenn sie wirklich davon überzeugt wäre, dass es sich um Verfassungsbruch handelt, müsste sie dafür sorgen, dass Gewessler die Regierung auf der Stelle verlässt. Fristlos. So konsequent wollen Nehammer und Co. dann aber auch wieder nicht sein. Logisch: Wenn sie weg ist, kann man sich nicht mehr vor den Augen aller Wählerinnen und Wähler abarbeiten an ihr.
Das mit dem Verfassungsbruch ist ein schwerwiegender Vorwurf, der – wie gesagt - geklärt gehört. Es ist wichtig, dass man künftig weiß, unter welchen Umständen ein Regierungsmitglied von Länderstandpunkten abweichen darf, wie es Gewessler getan hat; oder wann es sich nicht mit anderen Ministerinnen und Ministerin abstimmen muss, wie es Gewessler ebenfalls getan hat.
Das mit dem Verfassungsbruch ist vorerst aber eben auch nur ein Verdacht: Wenn in diversen Affären Vorwürfe gegen die ÖVP von Nehammer erhoben wird, rufen sie zurecht „Unschuldsvermutung!“ Hier aber pfeifen sie drauf, präsentieren, als wären sie ein Höchstgericht, gleich selbst das „Urteil“. Das lässt tief blicken. Es ist unglaubwürdig.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik