Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Sonntagabend dem belgischen Ratsvorsitz mitgeteilt, dass eine Zustimmung von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) zur EU-Renaturierung rechtswidrig wäre.
Wie das Bundeskanzleramt am Montag in einer Stellungnahme gegenüber der APA mitteilte, müsse es "bei der bereits gemäß den üblichen Verfahren eingemeldeten Stimmenthaltung Österreichs bleiben". Bei Zustimmung gebe es eine Nichtigkeitsklage beim EuGH.
Das Bundeskanzleramt verwies darauf, dass eine "aufrechte negative Stellungnahme der Bundesländer vorliegt und das notwendige Einvernehmen zwischen den betroffenen Bundesministerien fehlt". Daher sei wie in anderen Staaten auch "die Voraussetzungen für eine Zustimmung zum vorliegenden Entwurf nicht gegeben". Das Einbringen einer derartigen Nichtigkeitsklage müsste laut Bundeskanzleramt durch das zuständige Regierungsmitglied, in diesem Fall wohl Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), erfolgen. Ein Ministerratsbeschluss und damit die Zustimmung der Grünen wäre nicht notwendig.
EU-Renaturierungsgesetz im Mittelpunkt
Das EU-Renaturierungsgesetz steht im Fokus des heutigen Treffens der EU-Umweltminister in Luxemburg. Gewessler hatte am Sonntag angekündigt, dem EU-Renaturierungsgesetz zuzustimmen, und damit einen Koalitionskrach forciert. ÖVP und Grüne sind sich nicht einig darüber, inwiefern Gewessler Einvernehmen mit den Bundesländern und dem Landwirtschaftsministerium herstellen müsste. Gewessler "begeht vorsätzlich einen Verfassungs- und Gesetzesbruch", meinte Edtstadler bereits am Sonntag. Unabhängig von der Sache gehe es darum, "dass Recht Recht bleiben muss. Die Ideologie darf niemals über dem Recht stehen", sagte Edtstadler. "Sich über die Verfassung und über Gesetze zu stellen, ist eine neue Dimension. Das muss und wird rechtliche Konsequenzen haben."
Gewessler will "Abrüstung der Worte"
Gewessler plädierte am Montag vor dem EU-Umweltministertreffen in Richtung Koalitionspartner für eine "Abrüstung der Worte". Davon, dass die ÖVP die Zusammenarbeit mit den Grünen beende, gehe sie nicht aus, sagte sie im Ö1-Morgenjournal. "Ich erwarte auch keine Ministeranklage. Meine Zustimmung ist rechtskonform." Die ÖVP wollte zuletzt abwarten, ob es überhaupt zur Abstimmung kommt.
Abstimmung nach Aussprache?
Zuletzt zeichnete sich noch keine qualifizierte Mehrheit für die EU-Verordnung ab. Am Montag soll es eine öffentliche Aussprache unter den Ministern geben. Ob es danach zu einem Votum kommt, ist unklar. Ob tatsächlich abgestimmt wird, dürfte vor allem davon abhängen, ob die belgische Ratspräsidentschaft bei der Aussprache den Eindruck gewinnt, dass eine qualifizierte Mehrheit (55 Prozent der EU-Staaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren) doch zustande kommt oder nicht. Dafür müsste eines der Länder, die sich bisher enthalten oder dagegen stimmen wollten, umentscheiden. Die Lage sei "im Moment leider wirklich unübersichtlich", sagte Gewessler am Montag in der Früh.
"Die Mehrheit auf europäischer Ebene ist keineswegs sicher. Das ist besorgniserregend, weil dieses Gesetz über Monate verhandelt wurde", hatte Gewessler dazu am Sonntag in einer Pressekonferenz erklärt. Das Gesetz stehe "aktuell Spitz-auf-Knopf", nachdem zuletzt Ungarn seine Position geändert hätte. Es sei aber höchst an der Zeit, das Renaturierungsgesetz auf den Weg zu bringen. "Verzögerung, Unklarheit und Hinhaltetaktik sind bequem, aber geben unserer Natur keinen Zentimeter mehr zum Atmen. Ich werde dem wichtigsten Naturschutzgesetz am Montag zustimmen. Wenn abgestimmt wird, kann die EU mit einem österreichischen Ja rechnen", kündigte Gewessler an.