In Deutschland haben CDU und CSU die Europawahl mit großem Abstand gewonnen.
Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF legt auch die AfD zu und erreicht Platz zwei. Erst dahinter folgt die SPD. Die Grünen liegen mit deutlichen Verlusten auf dem vierten Platz. Die FDP bleibt stabil, während die Linke stark absackt - und von der neuen Partei BSW von Sahra Wagenknecht überholt wird. Es ist ein Dämpfer für die Ampel-Koalition - alle drei Regierungsparteien verlieren Wähler.
Den Hochrechnungen vom Sonntagabend zufolge steigert sich die Union leicht auf 29,6 bis 30 Prozent (2019: 28,9). Die AfD erreicht mit 16,1 bis 16,4 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Europawahl (11), das allerdings niedriger ausfällt als zwischenzeitliche Umfragewerte. Die SPD sackt ab auf 14 Prozent (15,8) - es ist ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl überhaupt. Die Grünen rutschen ab auf 12 bis 12,4 Prozent (20,5). Fast unverändert bleibt die FDP bei 4,9 bis 5 Prozent (5,4). Zusammen kommen SPD, Grüne und FDP nur auf rund 31 Prozent der Stimmen. Die Linke landet bei mageren 2,8 bis 2,9 Prozent (5,5) - ihr schlechtestes Ergebnis bei Europawahlen. Die Partei BSW erreicht aus dem Stand 5,7 bis 5,9 Prozent. Die Partei Volt liegt bei 2,8 bis 3 Prozent.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat das Abschneiden der Union bei der Europawahl begrüßt. "Wir sind begeistert von dem, was ihr vorgelegt habt", sagte die CDU-Politikerin. "Stärkste Kraft, stabil in schwierigen Zeiten - und das mit Abstand." Sie dankte dem CDU-Vorsitzende Friedrich Merz für die Zusammenarbeit im Wahlkampf, ebenso CSU-Chef Markus Söder und dem Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber.
BSW kam auf 5,5 bis 6 Prozent
Das neu gegründete linke Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kam aus dem Stand heraus auf 5,5 bis 6 Prozent. Deutschland stellt 96 von insgesamt 720 Abgeordneten im Europäischen Parlament. Rund 65 Millionen Bürgerinnen und Bürger waren zur Wahl aufgerufen, EU-weit waren es rund 360 Millionen Menschen. In Deutschland waren erstmals auch 16- und 17-Jährige wahlberechtigt. Anders als bei Landtags- und Bundestagswahlen gab es keine Fünf-Prozent-Sperrklausel.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bezeichnete die Union als klaren Gewinner der Europawahl in Deutschland. "Wir starten weiter durch", sagt er in der ARD. "Die Kanzlerpartei hat 14 Prozent, wir haben mehr als doppelt so viel." SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz könne so nicht weitermachen. "Eigentlich müsste er die Vertrauensfrage stellen im Bundestag", sagt Linnemann. So könne es nicht weitergehen. Im ZDF sagte Linnemann: "Das ist desaströs, was wir da erleben. Entweder die Ampel macht einen Kurswechsel oder sie muss den Weg freimachen für Neuwahlen". CDU-Chef Friedrich Merz forderte die Ampel dazu auf, ihren Kurs zu ändern. "Jetzt wirklich eine Kurskorrektur zu vollziehen, das ist im Interesse unseres Landes dringend notwendig; und ich fordere die Bundesregierung dazu auf, dies auch in den nächsten Tagen zu tun", sagte Merz.
AfD-Chef bezeichnete Ergebnis seiner Partei als "historisch"
AfD-Chef Tino Chrupalla hat das Ergebnis seiner Partei bei der Europawahl als "historisch" bezeichnet. "Wir haben ein Super-Ergebnis erzielt, und ich denke, das wird im Laufe des Abends auch noch weiter nach oben gehen. Also den zweiten Platz, den geben wir heute nicht mehr her", sagte Chrupalla. Die AfD konnte ersten Prognosen zufolge im Vergleich zur Europawahl 2019 von 11 auf 16 bis 16,5 Prozent zulegen. AfD-Co Chefin Alice Weidel sprach von einem "Super-Ergebnis".
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat das Abschneiden seiner Partei bei der Europawahl als "ein ganz bitteres Wahlergebnis" bezeichnet. "Für uns ist das heute eine harte Niederlage", sagte Kühnert ebenfalls in der ARD. Dort zeigte sich Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang ebenfalls enttäuscht: "Das ist nicht der Anspruch, mit dem wir in diese Wahl gegangen sind, und wir werden das gemeinsam aufarbeiten."
Grünen-Chef Omid Nouripour hat sich entsetzt gezeigt über den Erfolg der AfD bei den Europawahlen. "Ich weiß nicht, warum die da im Konrad-Adenauer-Haus geklatscht haben", sagte er am Sonntagabend bei der Grünen-Wahlveranstaltung in Berlin mit Blick auf die CDU-Parteizentrale und erste Prognosen. "17 Prozent sind einfach bestürzend.". Die deutsche und europaweite Spitzenkandidatin der Grünen, Terry Reintke, erhebt trotz der hohen Verluste für ihre Partei den Anspruch, Teil einer künftigen Mehrheit im neugewählten Europaparlament zu werden. "Wir sind bereit für proeuropäische demokratische Mehrheiten", sagt Reintke bei der Wahlparty der Grünen in Berlin.
Parteigründerin Sahra Wagenknecht zeigte sich indes "froh" und "erleichtert" über das Abschneiden ihres Bündnisses bei der Europawahl. "Da ist ein großes Potenzial", sagte Wagenknecht am Sonntagabend in der ARD. Sie wolle dies nun bei folgenden Wahlen weiter ausbauen.
Bei der Europawahl in Deutschland gilt anders als bei Bundestags- und Landtagswahlen keine Sperrklausel, also etwa eine Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung liegt laut Prognosen bei 64 bis 66 Prozent. 2019 waren es 61,4 Prozent, damals lag Deutschland auf Platz 5 im Vergleich der 27 EU-Staaten. Erstmals durften in Deutschland bei einer Europawahl auch 16- und 17-Jährige abstimmen.