Nach dem FPÖ-Wahlsieg bei der Europawahl sorgt sich EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) um das Standing Österreichs innerhalb der Europäischen Union.
"Ein Reputationsschub war das nicht", kommentierte Hahn am Sonntagnachmittag gegenüber der APA die Trendprognosen zur EU-Wahl. Befragt zu politischen Konsequenzen bei der ÖVP, der ein Absturz aufPlatz 3 droht, wandte er sich gegen "Hüftschüsse". Insgesamt müsse die Wahl auch auf EU-Ebene als "Weckruf" gesehen werden.
Hahn zur ÖVP: Man müsse "abwarten wie das Ergebnis ist"
Zur ÖVP sagte Hahn, man müsse "abwarten wie das Ergebnis ist". Die Schlussfolgerungen aus dem Ergebnis müssen sich "die Verantwortlichen in der ÖVP überlegen", betonte der Vizepräsident der Europäischen Volkspartei. "Ich persönlich bin immer gegen Hüftschüsse, weil die in der Regel nicht treffen", fügte er hinzu.
Angesichts der Prognosen der vergangenen Wochen und Monate überrasche ihn das Ergebnis nicht, sagte Hahn zum FPÖ-Sieg. "Dennoch ist das nicht ein Ergebnis, über das man sich freuen kann." Angesichts der "multiplen Krisen" seien die Bürgerinnen und Bürger "verständlicherweise reformerschöpft". Grund für den sich bei der EU-Wahl nicht nur in Österreich zeigenden "Trend hin zum Nationalismus" sei die "falsche Einschätzung, in der Krise ist es am besten sich abzuschotten".
Befragt zu einem möglichen Anspruch von Wahlsiegerin FPÖ auf den österreichischen Kommissarsposten sagte Hahn, die Nominierung sei "in erster Linie etwas, was sich die beiden Regierungsparteien untereinander ausmachen müssen". ÖVP und Grüne müssten nämlich dem Nationalrat einen entsprechenden Vorschlag machen, wobei im Ministerrat das Prinzip der Einstimmigkeit gelte. Österreich werde um eine Entscheidung "nicht herumkommen". "Es ist klar, dass diese Entscheidung in den nächsten Wochen getroffen werden muss, weil auf europäischer Ebene die Dinge voranschreiten."
Kritik: Zu wenig über europäische Zukunftsthemen gesprochen
Hahn kritisierte, dass im österreichischen EU-Wahlkampf zu wenig über europäische Zukunftsthemen gesprochen worden sei. "Es ist hier eine Chance der Meinungsbildung verpasst worden." Die Verantwortung dafür hätten "alle", also Politiker, Bürgerinnen und Bürger und auch Medien. Zwar habe es in den letzten Tagen eine "sehr positive auch mediale Berichterstattung" über europäische Themen gegeben, doch würde er sich über die gesamte europäische Legislaturperiode von fünf Jahren mehr davon wünschen. Konkret forderte Hahn "auch vonseiten der Verantwortlichen in der Politik ein stärkeres Engagement, auch den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen: Wofür brauche ich die Europäische Union."
Was das gesamteuropäische Ergebnis betrifft, äußerte Hahn die Erwartung, dass seine konservative EVP "deutlich als Nummer eins durchs Ziel kommt" und damit auch die EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen ein Mandat für eine weitere Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin erhält. Zudem dürften die proeuropäischen Kräfte "eine deutliche Mehrheit" erzielen. "Das soll aber nicht dazu führen, dass man sich in irgendeiner falschen Sicherheit wiegt", mahnte er. "Manches an den Wahlergebnissen hier in Österreich und ganz Europa soll als Weckruf verstanden wissen", sagte er in Anspielung auf das erwartete starke Abschneiden von europaskeptischen und nationalistischen Parteien in mehreren Ländern. Österreich sei diesbezüglich nicht allein.