Gastkommentar von Johannes Huber. Die FPÖ ist bei der Europawahl auf Platz eins gekommen, die ÖVP weniger stark abgestürzt als von vielen erwartet. Und Babler ist angezählt.
Erstmals in der Geschichte ist die FPÖ bei einem bundesweiten Urnengang auf Platz eins gekommen. Insofern kann Herbert Kickl, ihr Chef, zufrieden sein. Viel mehr noch gefallen kann ihm jedoch das Wie: Sie ist nicht auf 30 Prozent oder so gekommen, also ein Niveau, auf dem sie manche Umfragen gesehen hatten. Das ist gut für Kickl: Die Europawahl, von der hier die Rede ist, ist für ihn nicht der wichtigste Urnengang in diesem Jahr. Das ist die Nationalratswahl im September. Und im Hinblick darauf ist es wesentlich für seine Funktionäre, zu wissen, dass die FPÖ stärkste Partei werden kann, dass sie sich dessen aber nicht vollkommen sicher sein können; dass sie also nicht übermütig werden, sondern weiterkämpfen müssen.
Das ist das eine. Das andere: Kickl mag zwar den Kanzleranspruch erheben. Um Regierungschef werden zu können, braucht er jedoch einen Koalitionspartner. Und dafür kommt für ihn wohl nur die ÖVP infrage, die von Asyl bis Klimaschutz ähnliche Positionen vertritt wie er. Insofern kann nicht nur die ÖVP erleichtert sein über das Ergebnis der Europawahl: Sie ist abgestürzt, aber weniger weit als von vielen erwartet. Das ist auch gut für Kickl: Es zeigt sich, dass eine blau-türkise Mehrheit möglich ist in diesem Land.
Der FPÖ-Chef hat also einen Lauf, wie man so sagt. Absolut erschreckend ist, womit: Im Zentrum des freiheitlichen Plakats zur Europawahl waren EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, dargestellt als sich küssendes Paar; daneben stand das Wort „Kriegstreiberei“. Wie aus der Propagandaschmiede von Wladimir Putin: Als wären die beiden schuld am Krieg. Als hätte nicht er den Krieg begonnen und es in der Hand, ihn jederzeit zu stoppen. Als gäbe es kein Selbstverteidigungsrecht für die Ukraine.
Hier haben Kickl und Co. den Menschen Sand in die Augen gestreut. Sie fordern „Frieden“ und meinen damit, dass man die Ukraine Putin überlassen sollte. Auf dass er morgen Lust hat, ein weiteres Land zu überfallen.
Sehr viele FPÖ-Wähler wollten und wollen das natürlich nicht. Ihnen geht es eher nur darum, dass dieser Krieg bald aufhört. Was ein zutiefst menschlicher Zug ist. Umso wichtiger wäre es, Aufklärungsarbeit zu leisten, und klarzumachen, warum es wichtig ist, Putin zu stoppen. Umso verhängnisvoller ist es, dass ebensolche Aufklärungsarbeit in Österreich für eine Masse nicht geleistet wird.
Schon gar nicht zum Beispiel von der SPÖ. Sie eiert zu solchen Fragen ebenso herum wie zu Asyl und Migration. Die Rechnung dafür hat sie bei dieser Europawahl präsentiert bekommen: Da ist null Aufbruchstimmung für die Partei. Eine Aufbruchstimmung, wie sie Andreas Babler seit einem Jahr verspricht, aber eben nicht zusammenbringt.
Er ist jetzt endgültig angezählt: Als großer Kanzlerkandidat kann er sich nach einem solchen Wahlergebnis schwer inszenieren. Im Übrigen fehlt auch eine Mehrheit für seine Wunschkoalition, eine rot-pink-grüne Ampel. Wofür will er also antreten? Das ist ein Riesenproblem für den Mann: Er hat keine Perspektive anzubieten.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik