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Kickls Spaziergang zu Platz eins

7-06-2024, 08:26

Gastkommentar von Johannes Huber. Bei der EU- und bei der Nationalratswahl können Freiheitliche mit einem Triumph rechnen. Das hängt vor allem mit türkisen, aber auch roten und grünen Schwächen zusammen.

Der 9. Juni 2024 wird in die österreichische Geschichte eingehen: Die FPÖ wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erstmals bei einem bundesweiten Urnengang stärkste Partei werden. Besser für sie: Noch heuer könnte sich das wiederholen. Und zwar bei der Nationalratswahl Ende September.

Nichts scheint sie stoppen zu können, alles an ihr abzuprallen: Ihre Nähe zu Wladimir Putins Russland genauso wie ihre Freundschaft mit der rechtsextremen AfD oder auch Warnungen politischer Mitbewerber, dass Herbert Kickl, ihr Obmann, Kanzler werden könnte.

In der Vergangenheit hat ihr derlei geschadet: Bisher sind Freiheitliche von sehr vielen Menschen ausschließlich als Zeichen des Protests oder einer Unmutsbekundung unterstützt worden. Die Vorstellung, dass sie an die Macht kommen und die Führung der Regierung übernehmen könnten, hielt letzten Endes aber nicht wenige davon ab, ihnen ihre Stimme zu geben. Das machte Jörg Haider oder auch Heinz-Christian Strache zu schaffen.

Heute ist das anders: Eine Wählermasse sympathisiert aus Frust oder dergleichen mit Freiheitlichen – und nimmt einen Kanzler Kickl gerne in Kauf. Warum? Zum einen hat er ihnen schon gezielt eingeredet, dass er als „Volkskanzler“ allein ihnen dienen würde. Zum anderen hat er sie in ihrem Gefühl bestärkt, dass sie allen anderen vollkommen egal seien; dass sie von Corona bis Teuerung hängengelassen worden seien – und dass ausschließlich er ihren Sorgen und Nöten gerecht werde.

Kickls Erfolg ermöglichen Türkise, aber auch Rote und Grüne, darüber hinaus: Ein erheblicher Teil der Menschen, die heute für ihn sind, hat große Hoffnungen in Sebastian Kurz (ÖVP) gesetzt. Er hat sie enttäuscht und seiner Partei eine große Krise beschert. Bis heute hat sie diese unter der glücklosen Führung von Karl Nehammer nicht überwunden. Wie auch? Sie müsste sich neu aufstellen. Das tut sie jedoch nicht.

Die SPÖ wiederum bemüht sich mit Andreas Babler ebenfalls um die Menschen, die von Sorgen und Nöten geplagt werden und (!) das Gefühl haben, dass diese ignoriert werden. Ein messbarer Erfolg hat sich bisher aber nicht eingestellt. Zumal die SPÖ in sich zerstritten ist.

Und die Grünen? Bei der Europawahl leisten auch sie einen Beitrag zur Kickl-Stärkung. Und zwar durch Lena Schilling. Im „Falter“ schreibt der Publizist Peter Michael Lingens, er sehe es als „maßlose Missachtung der Funktion und Bedeutung eines EU-Mandats an, dafür eine 23-Jährige als Spitzenkandidatin zu präsentieren, die nicht weiß, dass Norwegen nicht der EU angehört“. Das habe ihn „schon extrem gestört, noch bevor der Standard auf Schillings nicht gerade unproblematische Persönlichkeitsstruktur hingewiesen hat“.

Vor allem diese Debatten über Schilling, diverse Chats und die Frage, ob diese jetzt politisch relevant seien oder nicht, waren nebenbei wie von Kickl bestellt: Sie haben dessen Anhängern signalisiert, dass Probleme von „Eliten“ wirklich weit weg sind von denen, die sie haben. Es hat ihnen vermittelt, dass es genau so ist, wie es vom FPÖ-Chef tagein, tagaus behauptet wird.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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