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Ludwigs Bauchfleck

31-05-2024, 08:32

Gastkommentar von Johannes Huber. Die Grünen können aufatmen: Der Wiener Bürgermeister hilft ihnen, die Schilling-Krise zu überwinden.

Was war denn das? Wollte sich der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ein bisschen klimabewusst geben, um Wähler zu umwerben, die wegen der Geschichten um Lena Schilling enttäuscht von den Gründen sind? Es endete jedenfalls mit einem Bauchfleck für den 63-Jährigen.

Vor wenigen Tagen hat er wissen lassen, dass die Zustimmung Österreichs zu einer europäischen Renaturierungsverordnung aus seiner Sicht „ganz klar“ sei. Das war neu: Bisher war er dagegen gewesen und hatte damit auch eine einheitliche Stellungnahme der Länder dagegen ermöglicht. Womit eher eine Ablehnung Österreichs klar gewesen ist.

Hintergrund: Es geht um Angelegenheiten, die die Länder betreffen. Und wenn sie in einem solchen Fall nein sagen, dann hat sich der Bund – hier vertreten durch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) – in Brüssel daran zu halten. Das ist in der Verfassung grundsätzlich so geregelt.

Gemeinsam mit seinem Kärntner Amtskollegen Peter Kaiser (SPÖ) hat Ludwig nun aber eben festgestellt, dass er es sich anders überlegt hat. Absolut überzeugend begründet. Die Pläne für die Renaturierungsverordnung sind geändert worden. Und zwar so, dass sie für die Länder, aber auch die Landwirtschaft, zumutbar erscheinen. Mit einigem Willen und ohne wirtschaftliche Schäden, ja Gefährdung der Nahrungssicherheit, wäre es möglich, Renaturierungsziele zu erreichen, also Monokulturen zurückzudrängen und Moore wiederherzustellen.

Der Punkt ist nun, wie Ludwig mit Unterstützung von Kaiser mit seiner Meinungsänderung umgegangen ist: Von Anfang an öffentlich. So postete er gleich auch ein Schreiben an die Landeshauptleutekonferenz, also an die übrigen Landeshauptleute, in dem er sich dafür aussprach, der Renaturierungsverordnung doch zuzustimmen.

Eine solche Vorgangsweise ist nicht dazu angetan, das Vertrauen zu stärken, man meine es ernst. Wäre das der Fall, würde man zunächst informell, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, bei den Landeshauptleutekollegen anklopfen. Wie auch immer: Es kam wie es kommen musste, die übrigen Landeshauptleute sahen schlussendlich keinen Grund, von irgendetwas abzugehen, also bleibt die einheitliche Stellungnahme gegen die Verordnung aufrecht.

Das leitet über zum zweiten, zum schwerwiegenderen Punkt, der bezweifeln lässt, dass es Ludwig um die Sache geht: Er hat nie dezidiert gesagt, dass er seine Zustimmung zur einheitlichen Länder-Stellungnahme zurückzieht oder dass sie für ihn nicht mehr gilt. Es steht nirgends, dass derlei nicht möglich wäre. Anders als Parlamente oder Regierungen agieren die Länder, agiert die Landeshauptleutekonferenz, ohne Verfahrens- oder Geschäftsordnung, die dem entgegenstehen würde.

Das ist das, was Klimaschutzministerin Gewessler Ludwig zurecht vorhält: Wenn er es wirklich ernst meint mit Klima- und Umweltschutz, wenn ihm Renaturierung ein Anliegen ist, dann darf er hier nicht so halbherzig agieren.

Parteipolitisch mag das kein großer Schaden sein für ihn: Wähler, die er damit gewonnen hätte, hätte er auf der anderen Seite verloren. Die Bereitschaft zu Klimaschutzmaßnahmen geht aufgrund einer wachsenden Krisenmüdigkeit immerhin stark zurück. Sehr wohl aber hilft er hier den Grünen: Linken, denen Klimaschutz ein vorrangiges Anliegen ist, hat er unfreiwillig signalisiert, dass sie ihre Stimme doch eher nur ihnen geben können.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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