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Wer braucht die Grünen?

17-05-2024, 08:07

Gastkommentar von Johannes Huber. Der Fall Schilling. Oder der Niedergang einer Partei, die in Wien kaum noch wahrnehmbar ist.

Bald wird kaum noch ein Mensch über die Vorwürfe gegen Lena Schilling reden. Ganz egal, wie oft und auf welcher Ebene sie noch behandelt werden: Sofern inhaltlich nichts Neues daherkommt, wird das öffentliche Interesse erlahmen; wird die EU-Wahl stattfinden und die FPÖ aller Voraussicht nach auf Platz eins landen, also wieder diskutiert werden, dass Herbert Kickl auf dem Weg Richtung Kanzleramt ist.

Die Grünen könnten bei dieser Wahl sogar ein passables Ergebnis erzielen. Einfacher Grund: Hier liegen sie besser als im Hinblick auf die Nationalratswahl. Hier profitieren sie davon, die Partei neben Neos zu sein, die noch am ehesten proeuropäisch ist.

Ende gut, alles gut für Werner Kogler, Freundinnen und Freunde? Irrtum: Sie werden sich neu erfinden müssen. Die Jahre der Regierungsbeteiligung haben sie ausgebrannt. Durch ihren Umgang mit den Vorwürfen gegen Schilling haben sie gerade auch in ihrer Klientel für schwere Irritationen gesorgt: Mit Worten wie „Gefurze“ Abblocken war angesagt, statt Fehler einzugestehen und aufzuklären.

Alles in allem trägt das dazu bei, dass immer öfter an das Jahr 2017 erinnert wird, als die Grünen gut starteten, bei der Nationalratswahl aber auf 38 Prozent abstürzten und aus dem Hohen Haus flogen. Davor sind sie auch heute nicht gefeit.

Wer braucht die Grünen? Sie wirken zunehmend wie eine Altpartei. Klimapolitik können sie nur noch begrenzt glaubwürdig vertreten: In der Regierung betreiben sie Verwässerung. Siehe erhöhter Klimabonus sowie erhöhte Agrardieselförderung, die die CO2-Bepreisung weiterhin wirkungslos machen; sie wird mehr als ausgeglichen.

In der Vergangenheit sind die Grünen für Kontrolle gestanden. Abgesehen davon, dass ihnen Peter Pilz dazu fehlt, der sich vor sieben Jahren aus ihren Reihen verabschiedet hat, können sie das in der Regierung schwer aufrechterhalten. Diese Rolle haben vielmehr die Neos übernommen.

Wer frische, unverbrauchte Kräfte haben möchte, kann bei der Nationalratswahl auch die Bierpartei von Dominik Wlazny oder die Kommunisten wählen. Wem Umwelt und Tierschutz wichtig ist, der findet möglicherweise auch in der neuen Liste von Ex-Grünen-Chefin Madeleine Petrovic ein Angebot, die sich um eine Kandidatur bemüht.

Lange hatten die Grünen ein Monopol für Stimmungswähler, die mit ÖVP und SPÖ nichts mehr anfangen konnten, die Freiheitlichen jedoch ablehnten. Das ist vorbei. Besonders in Wien wird das schmerzlich für die Partei: Hier ist sie seit ihrem Ausscheiden aus der Stadtregierung nicht mehr wahrnehmbar, ist ihr Führungsduo Judith Pühringer und Peter Kraus einer breiteren Öffentlichkeit unbekannt, gelingt es ihr nicht einmal über Bezirke, die sie führt, aufzuzeigen. Umso mehr dürfen Neos, Wlazny und andere hoffen, hier auf ihre Kosten verhältnismäßig gute Wahlergebnisse zu erzielen.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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