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Grüne Krise

10-05-2024, 09:02

Gastkommentar von Johannes Huber. Nachdem Werner Kogler und Co. schon auf Lena Schilling gesetzt haben, hätten sie die Vorwürfe gegen sie wenigstens bedauern können. Damit wäre die Sache vielleicht erledigt für sie. So wird sie eher schlimmer.

Werner Kogler kennt alle Höhen und Tiefen der Politik. 2017 ist er mit den Grünen aus dem Hohen Haus geflogen, wenig später hat er sie übernommen, ihnen 2019 zuerst ein beachtliches Ergebnis bei der Europa- und dann ein sensationelles bei der Nationalratswahl beschert. Er und Seinesgleichen sind nicht nur ins Hohe Haus zurückgekehrt, sondern durften auch auf der Regierungsbank Platz nehmen. Seither geht’s jedoch bergab. Wie weit, ist nicht absehbar.

Eine Wahlniederlage folgt auf die andere. Warum? Weil Kogler und Co. zu den existenziellen Sorgen und Nöten, die sehr viele Menschen plagen, wenig bis nichts zu melden haben. Gemeint sind die Teuerung, die für eine Masse ebenso spürbar ist wie die Unsicherheit aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Grüne, die über pazifistische Wurzeln verfügen und die im Übrigen eher höhergebildete und insofern privilegierte Schichten ansprechen, stehen da daneben. Genauer: Entscheidende Kompetenz zu diesen Fragen wird ihnen von kaum jemandem zugeschrieben.

Nach der jüngsten Gemeinderatswahl in Innsbruck haben sich die Grünen damit getröstet, dass sie in der Tiroler Landeshauptstadt zwar verloren, aber mit 19 Prozent noch immer stärkste Partei seien. Das sagt jedoch wenig: Ihr Glück waren die vielen Studierenden und Akademiker in der Stadt. In Arbeitergegenden wie dem Olympischen Dorf hatten sie Schwierigkeiten.

Schlimmer für sie: Um Studierende und Akademiker buhlt auch Dominik Wlazny. Er hat das Zeug, bei der Nationalratswahl besonders ihnen zu schaffen zu machen. Grund: Er ist kein Politiker. Für Enttäuschte und Frustrierte ist das schon ein Grund, zu ihm zu wechseln.

Im Hinblick auf die EU-Wahl zeigt sich die missliche Lage der Grünen noch deutlicher: Weil sie niemanden in ihren Reihen haben, dem sie einen Erfolg zutrauen; und weil Wlazny zeigt, dass man gerade als „Anti-Politiker“ punkten kann, haben sie sich die „Anti-Politikerin“ Lena Schilling geholt. Es war ein Eingeständnis: Sie selbst sind so leer, dass sie eine Quereinsteigerin engagieren mussten. Schillings Tätigkeit als Klimaaktivistin sprach für sie. Was jedoch darüber hinaus?

Die 23-Jährige ist jung und voller Tatendrang. Das spricht nicht gegen sie. Es gehen jedoch Risiken damit einher. Und Blößen: Sie ist keine kompetente Europapolitikerin. Mit ihr in eine Wahl zu ziehen, bei der es um die Zukunft Europas geht, sagt, dass einem die Zukunft Europas nicht so wichtig ist.

Spätestens seit dem „Standard“-Bericht, dass Schilling eine Unterlassungserklärung unterzeichnet hat, mit der sie sich verpflichtete, keine bösen Geschichten mehr über ein Paar zu erzählen; und dass sie etwa behauptete, von einem Journalisten belästigt worden zu sein, was diesem Erklärungsbedarf gegenüber seinem Arbeitgeber eintrug, ist klar, dass es im Grunde genommen unverantwortlich war von den Grünen, eine solche Person in die politische Arena zu schicken.

Hier geht es nicht um private Geschichten. Hier geht es um eine Persönlichkeit, die Mitglied des Europäischen Parlaments werden möchte; und bei der sich die Wähler auf charakterliche Stärken verlassen können sollten.

Alles gesagt? Nein: Durch ihre Reaktion auf die Vorwürfe haben Kogler und Co. alles nur noch schlimmer gemacht für sich selbst bzw. ihre Partei. Zur Erinnerung: Von „Gefurze“ hat er gesprochen und von einer Schmutzkübelkampagne. Hätte er wenigstens eingestanden, dass da dumme Sachen gelaufen sind, und hätte er mit Schilling zumindest sein Bedauern darüber geäußert, es wäre vielleicht sogar sympathisch rübergekommen. Weil ein junger Mensch ja Mist bauen darf. Aber so wird das Thema bis zum Wahltag bleiben.

Die Grünen müssen befürchten, nur von einem Bruchteil der Wählerinnen und Wähler „jetzt erst recht“ gewählt zu werden. Sie müssen damit rechnen, dass sich mehr Wähler abwenden von ihnen, weil sie sich damit noch weiter von drängenden Fragen der Zeit entfernen.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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