Gastkommentar von Johannes Huber. Die ÖVP wundert ich eh nicht, dass sie in Städten besonders stark verliert. Integrationsministerin Susanne Raab etwa bemüht sich darum.
In Wien lebt nicht einmal ein Viertel aller Menschen in Österreich. Hier wohnen aber gut die Hälfte aller syrischen und afghanischen Staatsangehörigen sowie ganze zwei Drittel aller Mindestsicherungs- oder Sozialhilfe-Bezieher. Für diese Missverhältnisse gibt es viele Gründe. Wien ist die einzige Weltstadt hierzulande. Metropolen ziehen Zuwanderer an, die im Laufe der Zeit Communitys bilden, die wiederum weitere Zuwanderer anziehen. Ist ja klar: In der Fremde lässt man sich dort nieder, wo man auf Menschen trifft, die die gleiche Sprache sprechen und die vielleicht auch einen Job vermitteln können.
Außerdem sagt Wien den Leuten, die schon einmal nach Österreich gekommen sind, „Willkommen!“ und unterstützt sie. Über das richtige Maß kann man streiten. Übrige Bundesländer neigen aber dazu, das auszunützen. Sie sind froh, wenn Flüchtlinge nach Wien gehen und dort bleiben. Sie kürzen Hilfen im Übrigen so weit wie möglich, um das zu verstärken.
Da geht es auch um Parteipolitik. Die ÖVP hat eine regelrechte Freude entwickelt, mit dem Finger auf Wien zu zeigen. Genauer: Auf das „rote“, also sozialdemokratische Wien. Lieber redet sie von Problemen, als an Lösungen mitzuwirken. Ausgerechnet sie, die für Asylpolitik in Österreich genauso hauptverantwortlich ist wie für Integration.
Vor wenigen Tagen hat AMS-Vorstand Johannes Kopf versucht, konstruktiv daran mitzuwirken, dass weniger Flüchtlinge aus den Bundesländern nach Wien übersiedeln. Die Gewährung der Mindestsicherung sollte demnach daran geknüpft werden, dass Bezieherinnen und Bezieher an einem bestimmten Ort bleiben. Das könnte wirklich etwas bringen.
Für die ÖVP lehnt das ausgerechnet aber auch Integrationsministerin Susanne Raab ab. Ihre Botschaft: Wenn Wien mehr Unterstützungen gewährt, sei es selber schuld, wenn es so viele Leute anziehe. Abgesehen sollten die Leute arbeiten. In Vorarlberg, Tirol und Salzburg etwa im Tourismus oder in der Gastronomie.
Das sagt ausgerechnet die Vertreterin einer Partei, die Asylwerber so lange wie möglich vom Arbeitsmarkt fernhält, ihnen aber eine Arbeitspflicht zumuten möchte, bei der es lediglich um schlecht bezahlte Hilfstätigkeiten geht. Das zeugt alles zusammen von üblen Absichten: Man blockiert Integration, um sich hinterher über Integrationsprobleme zu empören.
Und man schaut eben, dass sich diese Probleme in Wien konzentrieren, um in jedem Wahlkampf von sozialdemokratischem Versagen zu reden. Es ist durchschaubar. Und es trägt daher dazu bei, dass sich Wähler in städtischen Räumen am stärksten von der ÖVP abwenden. Siehe die jüngsten Urnengänge in Salzburg und Innsbruck.
Nicht zuletzt auch aufgrund ihrer jüngsten Kurzzeit-Kampagne mit dem Titel „Tradition statt Multikulti“ hat die Volkspartei zum Ausdruck gebracht, dass sie sich gegen eine Welt stellt, die für viele Österreicher in Städten normal ist: Eine, in der es Fremde gibt, die neben Herausforderungen im Bildungssystem oder im Sozialwesen mit ihren Eigenheiten eine absolute Bereicherung sein können. Zum Beispiel mit ihrer Küche.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik