Gastkommentar von Johannes Huber. Die freiheitliche Ex-Sozialministerin Hartinger-Klein gesteht, dass die „Patientenmilliarde“ nie ernstgemeint war. Das ist auch ein Problem für Kickl.
Kein Mensch hat geglaubt, dass die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger über die Jahre bis 2023 Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro bringen würde. Aber der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat 2018 genauso davon gesprochen, dass aus einer Verwaltungs- eine „Patientenmilliarde“ werde, wie es auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (beide FPÖ) getan haben.
Insofern könnte man jetzt sagen, Hartinger-Klein habe das immerhin zugegeben, als sie in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss diese Woche erklärte, dass die Milliarde ein „Marketinggag“ gewesen sei. Dabei bewenden lassen kann man es jedoch nicht.
Die FPÖ-Politikerin behauptet, der „Gag“ sei von den Kurz-Leuten Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann erdacht worden. Ja, sie habe einen Wutanfall bekommen, als sie davon gehört habe. Das mag schon sein. Aber!
Aber als Sozialministerin hat Hartinger-Klein das Ganze ernsthaft vermitteln lassen. Genauer: Dem Reformentwurf aus ihrem Ressort, der seinerzeit zur Begutachtung veröffentlicht wurde, war zu entnehmen, dass allein bei Personal- und Sachaufwendungen „ein Einsparungspotenzial von einer Milliarde Euro“ erreicht werde, „ohne dass hierbei das Leistungsniveau der Sozialversicherungsträger verändert wird“. Sprich: Es sollte zu keinen Verschlechterungen für die Patientinnen und Patienten kommen. Im Gegenteil, es sollte eben mehr für sie übrigbleiben.
Schlimmer für Hartinger-Klein: Sie hat die Zusammensetzung der Patientenmilliarde auf den Cent genau darstellen lassen. Allein 2023 hätten demnach „436.479.338,00 Euro“ zusammenkommen sollen. Noch schlimmer: Sie hat die Einsparungen in einer Rede vor dem Nationalrat sogar bekräftigt: „Die Patientenmilliarde setzt sich kumuliert über vier Jahre bis 2023 aus der Umsetzung von Effizienzmaßnahmen zusammen, etwa bei der Nichtnachbesetzung von Stellen von pensionierten Sozialversicherungsmitarbeitern oder bei geringeren Sachaufwendungen“, so die heutige Ex-Ministerin im Oktober 2018 gegenüber den Abgeordneten.
So einfach abputzen kann sie sich unter diesen Umständen nicht. Ihr Glück ist allenfalls, dass sie politisch nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann, bei diesem „Gag“ mitgewirkt zu haben. Die Konsequenzen haben vielmehr andere zu tragen. FPÖ-Chef Herbert Kickl zum Beispiel.
Die Sache ist die: Die „Patientenmilliarde“ ist eine Erklärung dafür, dass das Ansehen, den Politikerinnen und Politiker im Allgemeinen genießen, im Keller ist. Dass sich die ÖVP im freien Fall befindet: Ihr Hoffnungsträger Sebastian Kurz hat so viele Wähler enttäuscht, weil er nicht gehalten hat, was er versprochen hat. Davon profitiert hat bisher vor allem Kickl, weil er ankündigt, aufzuräumen. Hier wird aber deutlich, dass seine Partei, für die er 2018/19 immerhin schon Innenminister war, in Regierungsfunktion ebenfalls Lug und Trug betreibt - dass sie den Vertrauensverlust der Politik also mitzuverantworten hat.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik