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Grundfunk ohne Kratky

5-04-2024, 08:57

Gastkommentar von Johannes Huber. Worauf es bei der Offenlegung der ORF-Gagen hinausläuft. Und was daran problematisch ist.

Die Steuer- und Abgabenzahler haben einen Anspruch darauf, zu erfahren, was mit ihrem Geld passiert. Es lässt jedoch tief blicken, dass Politikerinnen und Politiker dem eher nur dann gerecht werden wollen, wenn es ihnen gefällt. Nicht aber, wenn sie selbst davon betroffen sind. Beispiel: Christian Stocker wollte diese Woche nicht verraten, wie viel er als Nationalratsabgeordneter, Vizebürgermeister von Wiener Neustadt und Generalsekretär der ÖVP (die im Wesentlichen von der Parteienförderung lebt) insgesamt verdient – obwohl es sich summa summarum jedenfalls um mehr als 170.000 Euro brutto pro Jahr handelt (allein der Nationalratsbezug macht über 140.000 Euro aus).

Das ist umso bemerkenswerter, als er und seinesgleichen dafür gesorgt haben, dass der ORF, der ebenfalls zu einem erheblichen Teil von öffentlichen Mitteln lebt, Gagen über 170.000 Euro brutto pro Jahr veröffentlichen muss.

Kaum weniger bemerkenswert ist, dass sich auch Sozialdemokraten, wie der Niederösterreicher Sven Hergovich, über diese Gagen empören. Okay, er war damals noch nicht in der Politik: Haben sich jedoch Genossinnen und Genossen von ihm einst über das Gehalt aufgeregt, das ihr Übergangsstar Christian Kern als ÖBB-Chef bis 2016 bezogen hat? Nein, das haben sie nicht, obwohl es laut „Standard“ ein Betrag jenseits von 700.000 Euro jährlich war und obwohl es sich bei den ÖBB um ein öffentliches Unternehmen handelt.

Der ORF hat jetzt also eine Liste mit all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorlegen müssen, die mehr als 170.000 Euro brutto pro Jahr verdienen. Angeführt wird sie von Ö3-Wecker-Mann Robert Kratky mit 443.894,39 Euro, der im Übrigen noch durchschnittlich 8500 Euro pro Monat aus Nebenbeschäftigungen bezieht.

Das ist schon sehr viel. Ist es aber ein Grund, ihn mit persönlichen Beschimpfungen und Drohungen zu konfrontieren, wie es laut „Kurier“ passiert? Nein: Wut und Verständnislosigkeit werden hier am Falschen abgeladen. Zu denken geben sollte ganz anderes.

Zum Beispiel dies: Man kann der Politik unterstellen, dass sie es von vornherein darauf angelegt hat, dem ORF zu schaden. Wer ist der nächste, mit dem sie so umspringt? Keine Namen. Nur so viel: Der Willkür sind keine Grenzen gesetzt.

Hätten Stocker und Co. ein Problem mit den Gagen, sie hätten längst eingreifen können: Die ÖVP kontrolliert den Stiftungsrat, der wiederum den ORF kontrolliert. Oder: Würde es ihnen um Transparenz gehen, sie würden sie eben auch dann praktizieren, wenn es um sie selbst geht. So viel zum Thema Glaubwürdigkeit.

Nichtsdestotrotz bleibt selbstverständlich die Frage, ob bis zu 443.894,39 Euro für einen Moderator bei einem öffentlich-rechtlichen, nicht nur werbe-, sondern auch abgabenfinanzierten Sender gerechtfertigt sind. Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach: Für deutlich weniger würde es keinen Kratky geben. Für durchschnittliche Gehälter würde es durchschnittliche Leute geben. Ö3 wäre sehr wahrscheinlich sehr viel kleiner.

Das will der ORF natürlich nicht haben. Offenbar aber wird es von weiten Teilen der Politik angestrebt. Es geht demnach in eine Richtung, die FPÖ-Chef Herbert Kickl bereits vorgegeben hat; es läuft auf einen Grundfunk hinaus.

Wenn wenigstens mit offenen Karten gespielt werden würde. Wenn wenigstens ein Konzept dahinterstehen würde, mit dem starker Journalismus in möglichst vielen Medien angestrebt wird. So aber bleibt dies: Es wird einfach nur persönlichen Beschimpfungen und Drohungen ausgeliefert, wer gemeinsam mit seinem Unternehmen geschwächt werden soll. Das ist etwas, was eine Warnung für alle ist: Niemand kann sich sicher sein, dass eines Tages nicht auch mit ihm so umgesprungen wird.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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