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Ludwig ist nervös. Zu Recht!

14-03-2024, 13:43

Gastkommentar von Johannes Huber. Für die SPÖ des Wiener Bürgermeisters sind schwierige Zeiten angebrochen. Ihre Vormachtstellung ist mehr denn je gefährdet.

Jetzt setzt auch die Wiener SPÖ verstärkt auf das Thema Integration. Angesagt ist nicht nur fördern, sondern auch fordern, wie einem Bericht der Tageszeitung „Die Presse“ von einer Klausur der Partei berichtet: Geplant sei ein sogenanntes Jugendkollege. Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte sollen so weit gebracht werden, dass sie fit für den Arbeitsmarkt sind. Das Bemerkenswerte: Der Besuch dieses Angebots soll verpflichtend sein. Bei Verweigerung sollen „finanzielle Sanktionen verhängt“ werden, so die „Presse“: „Konkret wird in einem derartigen Fall die Mindestsicherung stufenweise gekürzt.“

Das ist ein deutliches Signal: Wie schon in der Phase des letzten Freiheitlichen-Aufstiegs, der bis zur Ibiza-Affäre vor fünf Jahren währte, will die Partei von Bürgermeister Michael Ludwig auch beim nunmehrigen zeigen, dass sie bei dem Thema ebenfalls konsequent sein kann. So möchte sie verhindern, dass Wählerinnen und Wähler zu Herbert Kickl und Co. abwandern.

Die Wiener SPÖ steht allerdings mehrfach unter Druck, Ludwig hat allen Grund, nervös zu sein: Eine Umfrage vom vergangenen Herbst sah die Partei zum damaligen Zeitpunkt nur noch bei 35 Prozent. Bei einer Gemeinderatswahl wäre das das schlechteste Ergebnis, das sie jemals erzielt hat. Die knapp 40 Prozent bei den Urnengängen 1996 und 2015 würde sie damit deutlich unterschreiten. Gewählt wird zwar erst im kommenden Jahr, das ist aber kein Trost für sie.

Sie muss vom Schlimmsten ausgehen: Sollte es im heurigen Herbst auf Bundesebene zu einer „Großen Koalition“ kommen, sollte Herbert Kickl also das Kanzleramt vorenthalten werden, könnte das zu einem „Jetzt erst recht FPÖ“-Effekt führen. Freiheitliche könnten damit auch in Wien noch stärker werden – und zwar auf Kosten der SPÖ.

Wichtiger: Auch links der Mitte tut sich Bedrohliches für die Partei von Ludwig. Der Bierpartei wurden in besagter Umfrage zwölf, Grünen und Neos nur jeweils acht Prozent ausgewiesen. Davon auszugehen, dass Dominik Wlazny (Bierpartei) schon noch entzaubert werde, zumal er nach wie vor keinen nennenswerten Inhalt zu bieten hat, wäre naiv. Wlazny kommt an, weil er – im Unterschied zu Ludwig – zum Beispiel keine „Kleingartenaffäre“ in den eigenen Reihen an sich picken hat, weil er kein Politiker, sondern einfach nur ein kumpelhafter Typ von nebenan ist. Zweitens: In Salzburg sieht man bei Kay-Michael Dankl, dass ein solcher Typ mit Inhalt mit seiner Partei auf mehr als 20 Prozent kommen kann. Auch wenn es sich dabei um die KPÖ handelt. Das spielt keine Rolle. These: Ein solcher Typ wird früher oder später auch in Wien aufkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Zu viele Stimmen sind dafür zu haben.

Unterm Strich kann die SPÖ zwar hoffen, dass sie noch länger stärkste Partei bleiben wird in der Bundeshauptstadt. Sie muss jedoch damit rechnen, dass sie sehr viel Macht abgeben muss: Eine Zusammenarbeit mit einer Kleinpartei wie (derzeit) Neos oder (davor) den Grünen mit ein paar Zugeständnissen wird nicht mehr reichen; dafür gibt es keine Mehrheit mehr. Wenn, dann braucht es zumindest eine „Ampel“, also eine Dreiparteienkoalition. Siehe Deutschland, wo die Sozialdemokraten bei einer solchen Konstellation auf Bundesebene ganz schön Federn lassen müssen.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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