Gastkommentar von Johannes Huber. In Niederösterreich hat ein 71-Jähriger einen Einbrecher angeschossen. Alles spricht für Notwehr. Waffen in Privatbesitz bleiben jedoch ein Problem.
Drei maskierte Männer sind laut einem Bericht der Austria Presse-Agentur (APA) in der Nacht auf Mittwoch gegen ein Uhr in ein Haus im niederösterreichischen Bezirk Korneuburg eingedrungen, aber nicht unentdeckt geblieben: Das im Obergeschoss schlafende Ehepaar sei wach geworden. Die 50-jährige Frau habe die Eindringlinge gestellt und sei von einem von ihnen mit einem metallenen Gegenstand zu Boden geschlagen worden. Daraufhin habe der 71-jährige Ehemann einen der Einbrecher mit einer legal besessenen Faustfeuerwaffe angeschossen. Dieser sei schließlich durch eintreffende Beamte erstversorgt und festgenommen worden.
Dazu gibt es unter anderem diese Reaktionen: Zum einen Verwunderung darüber, dass hier nicht gleich Notwehr festgestellt wird, sondern der ganze Fall erst untersucht wird. Und zum anderen, dass der Fall zeige, wie wichtig Waffen in Privathaushalten seien. Darüber kann man sich wundern, beidem kann man entgegentreten.
Natürlich: Alles, was bekannt ist, spricht für Notwehr. Der Bericht ist glaubwürdig, die Handlung des Hausbesitzers nachvollziehbar. Wir leben aber noch immer in einem Rechtsstaat, in dem das Gewaltmonopol beim Staat liegt. Grundsätzlich. Weil es Umstände gibt, in denen dieses Gewaltmonopol nicht zeitgerecht wirken kann, ist es Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, zur Verteidigung zu schreiten, um einen rechtswidrigen Angriff auf sich selbst oder andere abzuwehren. Das nennt man Notwehr. Sie gehört im Einzelfall jedoch zweifelsfrei ermittelt. Da geht es nicht um Misstrauen oder eine böswillige Unterstellung, sondern um eine Bestätigung, die letzten Endes auch das Vertrauen in den Rechtsstaat stärkt und das Gewaltmonopol sichert.
Zweitens: Es ist gut, wenn es dem 72-jährigen Niederösterreicher gelungen ist, Schlimmeres zu verhindern. Damit geht jedoch kein Argument für eine Ausweitung von privatem Waffenbesitz einher. Dieser gehört weiterhin mit strengen Auflagen versehen und begrenzt; genauso wie illegaler Waffenbesitz konsequenter bekämpft werden sollte.
In Österreich wird bei weitem nicht nur zur Notwehr geschossen. Zu oft werden Waffen auf Angehörige und Ex-Partner gerichtet. Das Institut für Konfliktforschung hat festgestellt, dass bei insgesamt 92 versuchten und erfolgten Frauenmorden in den Jahren 2010 bis 2020 eine Schusswaffe eingesetzt wurde. 57 Opfer starben. Genauer: Wurde die Tat mit einer Schusswaffe begangen, endete sie am häufigsten tödlich.
Eine bewaffnete Gesellschaft ist keine sicherere Gesellschaft. Siehe USA. Dort vergeht kaum eine Woche ohne Amoklauf. Die Vereinigten Staaten sind vielleicht sogar das beste Beispiel dafür, dass Waffen nicht nur schützen, sondern auch gefährden; nämlich ihre Besitzer und noch viel mehr Unschuldige.
Hierzulande sind fast eineinhalb Millionen Schusswaffen registriert. Tendenz steigend. Eine wachsende Notwendigkeit für Waffenbesitz gibt es nicht. Es ist vielmehr sogar so, dass klassische Kriminalität, wie man sie aus Krimis oder „Aktenzeichen XY“ kennt, immer weiter zurückgeht.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik