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Wlazny mischt auf

19-01-2024, 08:52

Gastkommentar von Johannes Huber. Warum die Bierpartei eine Kampfansage an Babler und Ludwig, aber auch ein potenzieller Konkurrent für Kickl ist.

Es sagt eigentlich alles über den Zustand der österreichischen Politik aus, dass eine Partei, die „Bierpartei“ heißt, ein ernstzunehmender Faktor ist; genauso wie die Tatsache, dass es ihr Chef, Dominik Wlazny, bei der letzten Bundespräsidenten-Wahl schaffen konnte, ohne erkennbares Programm auf mehr als acht Prozent zu kommen: Da liegt so viel im Argen, dass es Platz für etwas gibt, was einfach nicht Gewohntem entspricht, aber glaubwürdig wirkt.

Das ist das, was man über Wlazny noch am ehesten sagen kann: Man traut ihm nicht zu, die Leute übers Ohr hauen zu wollen, korrupt oder ausschließlich an eigenen Vorteilen interessiert zu sein. Er redet von einer guten Gesellschaft, in der Chancengleichheit herrscht. Das ist (fast) alles, was er zu liefern hat – und es reicht.

Es kommt mehr denn je an. Nicht nur Türkise haben Affären picken, sondern auch Sozialdemokraten; nämlich jene um Kleingärten in Wien, bei denen laut Ex-Bundespräsident Heinz Fischer der Eindruck entsteht, es gebe Gleiche und Gleichere. Wobei „Gleichere“ für Genossinnen und Genossen steht, die im Unterschied zu vielen anderen, die das auch gerne tun würden, günstig zu einer Immobilie am Stadtrand gekommen sind.

Gerade in Zeiten, in denen Preise stark steigen und das Leben für eine Masse schwer geworden ist, in denen sich Abstiegs- und – z.B. aufgrund von Kriegen – Zukunftsängste ausbreiten, werden solche Verhältnisse unerträglich.

Das erklärt zu einem erheblichen Teil, warum die ÖVP bei einer Nationalratswahl am kommenden Sonntag abstürzen würde, und warum die SPÖ mit Andreas Babler nur um ein paar Prozentpunkte zulegen würde. Es erklärt auch, warum die FPÖ von Herbert Kickl ihren Stimmenanteil in etwa verdoppeln und auf rund 30 Prozent kommen würde: Sie steht für eine Absage an vorherrschende Politik.

Die Bierpartei unter Führung von Wlazny, die das Ziel hat, bis Ende April 20.000 Mitglieder und genügend Geld für eine Kandidatur bei der Nationalratswahl zu haben, mischt das alles jetzt noch weiter auf: Sie verstärkt die Probleme der SPÖ, macht es aber auch für Kickl schwieriger, so groß zu werden, wie er es gerne tun würde.

Eine „Heute“-Umfrage hat im vergangenen Herbst ergeben, dass die SPÖ bei einer Wiener Gemeinderatswahl auf historisch schlechte 35 Prozent einbrechen und neben der FPÖ vor allem auch die Bierpartei triumphieren würde. Zwölf Prozent wurden ihr vom Meinungsforschungsinstitut „Unique Research“ ausgewiesen. Sprich: Für die Wiener SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig ist Wlazny eine echte Bedrohung.

Im Hinblick auf die Nationalratswahl hat wiederum Bundesparteichef Andreas Babler zusätzlichen Stress: Seine Träume, eine rot-pink-grüne Ampelkoalition zu bilden, würden sich mit einer Bierpartei als Mitbewerberin wohl endgültig erledigen. Grund: Bei der Bundespräsidenten-Wahl sind zwei Drittel der Wlazny-Stimmen von SPÖ-, Neos-, und Grünen-Sympathisanten gekommen.

Interessant ist aber eben auch, dass Wlazny seinerzeit zusätzlich FPÖ-Anhänger von sich überzeugen konnte, ja sie dazu brachte, ihn, statt den Parteikandidaten Walter Rosenkranz zu unterstützen. Das lässt tief blicken. Wie schon das Phänomen, dass bei der Salzburger Landtagswahl vor einem Jahr ein paar Tausend Ex-Freiheitliche die Kommunisten gewählt haben. Das ist de facto das Gleiche: Gefragt ist, wer anders ist; wer am wenigsten mit dem in Verbindung gebracht wird, was Kickl abfällig als „das System“ bezeichnet. Insofern ist Wlazny für Kickl bei der Nationalratswahl genauso ein potenzieller Konkurrent, der ihn Stimmen kosten könnte, wie die Kommunisten (falls sie sich bundesweit noch bemerkbar machen).

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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