Gastkommentar von Johannes Huber. Und der ÖVP ist glatt zuzutrauen, dass sie ihn reinlässt, um mit ihm als Spitzenkandidat in die nächste Nationalratswahl zu ziehen.
Sebastian
Kurz mag die Politik nicht hinter sich lassen. „Nur wer offene Grenzen
will, gehört zu den „Guten“? So kann es nicht weitergehen“, schrieb er
diese Woche in der deutschen Tageszeitung „Die Welt“. Als wäre er noch
immer Kanzler oder zumindest ÖVP-Chef. Parallel dazu zeigte er sich auf
Twitter erfreut darüber, dass der Unabhängige-Parteien-Transparenz-Senat
festgestellt hat, dass es unter seiner Führung vor vier Jahren zu
keiner Wahlkampfkostenüberschreitung gekommen ist. Genauer: Kurz meinte,
dass wieder einmal versucht worden sei, mit falschen Vorwürfen
„Rufmord“ zu begehen. Das sei jedoch gescheitert: „Denn am Ende setzt
sich immer die Wahrheit durch.“
So
äußert sich kein Jungunternehmer, dem daran gelegen ist, ein aktiver
Bürger zu sein und seine Meinung kundzutun. So äußert sich ein Populist,
der wieder Politiker werden möchte. Bei der Migration tut er so, als
würde es nur Schwarz und Weiß geben: Offene oder geschlossene Grenzen.
Das ist jedoch gezielter Unsinn. Die Pole lauten eher folgendermaßen:
Geregelte Migration und Asylverfahren, die konsequent auf Basis von
Gesetzen durchgezogen werden. Oder ein böswilliges Spiel mit Ängsten und
Emotionen. Kaum jemand will einfach nur offene Grenzen. Selbst bei den
Grünen, denen das am ehesten nachgesagt wird, wird man nicht viele
finden, die das tun. Aber Kurz unterstellt es eben. Aus Kalkül. Das ist
sein Geschäftsmodell: Es geht darum, Meinungen zu manipulieren und so
Wahlen zu gewinnen.
Auch
seine Aussagen zu den Wahlkampfkosten entsprechen diesem
Geschäftsmodell: Hier geht es nicht um falsche Behauptungen, die
politische Gegner konstruiert haben. Es war vielmehr so, dass der
Rechnungshof eine Kostenüberschreitung „vermutet“ und dem
Transparenz-Senat zur Klärung übermittelt hat. Und dass der Senat nun
erklärt hat, dass es keine Überschreitung gegeben hat. Punkt.
Das
ist ein ganz normaler Vorgang, wie er rechtsstaatlichen Maßstäben
entspricht. Kein „Rufmord“. Einen solchen begeht vielmehr Kurz selbst,
wenn er ihn dem Rechnungshof verwirft, ohne ihn zu nennen. Nach der
Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft patzt er damit wieder nur
eine wichtige Institution an.
Aber
er macht eben Stimmung wie eh und je. Und er klopft so auch bei der ÖVP
an: Der Mann bietet sich als Spitzenkandidat für die nächste
Nationalratswahl an. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass bald der
erste Funktionär, die erste Funktionärin mit Gewicht aufsteht und
öffentlich fordert, ihn zurückkehren zu lassen.
Bei
der Bildung einer Koalition mit der FPÖ in St. Pölten und bald wohl
auch Salzburg beweisen höchste Vertreter der Partei bereits maximale
Prinzipienlosigkeit. Zuerst vermitteln sie den Eindruck, dass eine
Zusammenarbeit aufgrund zu großer Gegensätze unmöglich sei, dann können
sie eine solche kaum erwarten. Zuerst geht ihnen Herbert Kickl zu weit,
dann nehmen sie diesen bzw. dessen Stil in Kauf, um sich an der Macht
halten zu können. Auch auf Bundesebene hat ihr Klubobmann August
Wöginger längst klargestellt, dass man wieder zu einem Bündnis mit Kickl
bereit wäre.
Wer
so rückgradlos ist, kann auch kein Problem mit einem
Sebastian-Kurz-Comeback haben: Gehen musste er nach schwarz-türkiser
Darstellung ja nur, weil die Grünen darauf bestanden und der eine oder
andere Chatbeitrag von ihm nicht gerade schön formuliert war. Das ist so
wenig, dass er es längst gesühnt hat. In Österreich sowieso: „Ibiza“
ist bei den Freiheitlichen auch schon vergessen.
Durch
seine jüngsten Äußerungen beweist Kurz, dass er ganz der Alte geblieben
ist. Derjenige, der perfid in dem Sinne kommuniziert, dass eine Masse
dazu neigt, ihm auf den Leim zu gehen. Damit hat er den Freiheitlichen
hunderttausende Stimmen weggenommen. Sein Nachfolger Karl Nehammer kann
das nicht annähernd. Mit diesem droht der ÖVP eine krachende Niederlage.
Klar, auch Kurz wird keine 37,5 Prozent mehr zustande bringen. Mit ihm
würden Verluste aber wohl geringer ausfallen als mit Nehammer.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik