Gastkommentar von Johannes Huber. Die Beihilfe zur Einstellung der „Wiener Zeitung“ kommt einer Bankrotterklärung von Werner Kogler und Co. gleich. Jetzt können sie nur hoffen, dass nicht Andreas Babler SPÖ-Chef wird.
Das muss gemeint sein, wenn von einem „Sturm der Entrüstung“
die Rede ist: Nachdem die Grünen von Vizekanzler Werner Kogler und Klublobfrau
Sigrid Maurer am Mittwoch im Verfassungsausschuss des Nationalrats der
Einstellung der „Wiener Zeitung“ zugestimmt hatten, ernteten sie in sozialen
Medien sehr viel Kritik von Leuten, die ihnen grundsätzlich wohlwollend
gegenüberstehen. Nicht selten war die Drohung zu lesen, sie nie wieder zu
wählen. Was auf den ersten Blick verwundern mag: Federführend in der Sache sind
Türkise, Medienministerin ist die Sebastian-Kurz-Entdeckung Susanne Raab von
der ÖVP.
Die Grünen leisteten „bloß“ Beihilfe, sie sicherten mit
ihrer Zustimmung die nötige Mehrheit. Das Problem für sie ist jedoch, dass sie
mit anderen Ansprüchen konfrontiert werden. Bei den Türkisen verwundert es
weniger, dass sie Qualitätsjournalismus schwächen, der Mächtigen immer wieder
lästig sein muss. Bei den Grünen ist das ein bisschen anders: Durch die
Mitwirkung an einer Politik, wie sie auch von Viktor Orbán in Ungarn betrieben
wird, überraschen sie.
Es ist ihnen eher nur wichtig, Regierungserfahrung zu
sammeln und ein bisschen Klimaschutz zu betreiben. Soweit sie dies neben der
ÖVP halt dürfen. Wäre Justizministerin Alma Zadić nicht bemüht, diverse
Korruptionsaffären aufklären zu lassen, könnte man sagen, dass ihnen alles
andere vollkommen egal ist. So muss man feststellen, dass sie entlarvend viel
in Kauf nehmen.
Im Klartext: Die Grünen sind nicht mehr diejenigen, die
sagen können, dass Demokratie einen besonderen Stellenwert für sie habe. Das
ist eine Lüge. Sonst hätten sie bei der „Wiener Zeitung“, die einen relevanten
Beitrag für eine informierte Öffentlichkeit leistet, ein Veto eingelegt. Im
Übrigen hätten sie kritischen Stimmen dazu eine Bühne gegeben. Genauso wie
Interessenten für eine Weiterführung der ältesten noch erscheinenden
Tageszeitung der Welt (Gründungsjahr: 1703).
Das wäre letzten Endes alles auch im Sinne der Demokratie
gewesen. Sie lebt nicht davon, dass Regierende, wie Klimaschutzministerin
Leonore Gewessler (Grüne), willkürlich Kampagnen durchführen, wie es ihnen
gefällt, sondern unter anderem von möglichst vielen starken Medien, die den
Bürgern mitteilen, was ist. Problem: Österreich ist ein kleines Land und hat
ohnehin schon zu wenige.
Im Moment würden die Grünen bei einer Nationalratswahl zwar
verlieren, sich jedoch bei rund zehn Prozent halten. In Anbetracht dessen, was
Kogler und Co. liefern und wie es von wahrnehmbaren Teilen ihrer Anhängerschaft
aufgenommen wird, könnten sie glücklich darüber sein. Vormachen sollten sie
sich jedoch nichts: Es ist darauf zurückzuführen, dass sich nicht wenige
Menschen mit Grauen von der zerstrittenen SPÖ abwenden, für die die Grünen ein
geringeres Übel und die einzige Alternative sind. Doch wehe, der linke
Bürgermeister Andreas Babler, der nebenbei auch Klimaschutz in seinem Programm
hat, übernimmt die Sozialdemokratie: Dann könnte es für die Grünen gefährlich
werden. Wie damals bei der Nationalratswahl 2017, als ihnen die SPÖ unter
Christian Kern mehr als ein Viertel ihrer Wählerschaft abgenommen hat und sie
aus dem Hohen Haus geflogen sind.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe
zur Politik.