"Babylon - Rausch der Ekstase" ist ein wildes Spektakel.Der Film erzählt von der Zeit, als die junge Filmmetropole von der Stummfilmära ins Tonzeitalter schlitterte. Brad Pitt spielt einen gefeierten Filmbeau, Margot Robbie ein aufstrebendes Starlet.
Es ist eine megalomanische Hommage an das Hollywood der 1920er, ein Bildrausch babylonischen Ausmaßes: "Babylon". Regiestar Damien Chazelle, der bereits mit "La La Land" der Traumfabrik seine Musicalehrerbietung erwies, legt ein vielgestaltiges Werk als Feier der Stummfilmära vor. Drei Stunden voller Stars, visueller Ekstase und dramatischer Mikroszenen. Und drei Stunden, in denen sich der 37-Jährige immer wieder in seinem eigenen Kosmos verliert. Ab Donnerstag im Kino.
Babylon - Rausch der Ekstase: Kurzinhalt zum Film
In seinem Ensemblewerk folgt Chazelle mehreren Protagonisten über die Zeit vom letzten Stummfilmjahr 1926 bis in die frühen 1930er hinein. Da ist der langsam alternde Filmliebhaber Jack Conrad (Brad Pitt), der dem Alkohol und wechselnden Liebschaften zuspricht und in der Stummfilmära die Massen begeistert. Der Umstieg zum Ton gelingt ihm jedoch nicht mehr.
Kurz vor dem radikalen Umbruch
der Branche schafft auch Nellie LaRoy (von einer beinahe nicht
wiedererkennbaren Margot Robbie interpretiert) den Aufstieg als
verruchter Charakter, als Starlet und Sinnbild der Goldenen 20er. Aber
sie überlebt ebenso wenig im Tonfilm und der neuen, biedereren Ära
Hollywoods. Dem dunkelhäutigen Jazzer Sidney Palmer (Jovan Adepo)
gelingt zwar die Karriere als Musiker auf der Leinwand, zugleich
entkommt er dem Rassismus der Gesellschaft nicht.
Und als Alter Ego des Publikums fungiert der mexikanische Einwanderersohn Manny Torres (gespielt vom 30-jährigen mexikanischen Newcomer Diego Calva), der sich vom Handlanger des weinstein-artigen Produzenten Don Wallach (Jeff Garlin) in eine führende Studioposition hocharbeitet und dabei doch der Außenstehende bleibt. Er blickt auf das Spektakel, das rauschhafte Treiben aus einer Beobachterposition und findet mit seiner Angebeteten Nelly LaRoy nie wirklich zusammen, obgleich er für sie sein Leben riskiert.
Babylon - Rausch der Ekstase: Die Kritik
Dieses Werden und Vergehen von Menschen und Karrieren schildert "Babylon"
in einem eigenständigen Rhythmus aus ekstatischen Szenen, in denen sich
Chazelle den langen Einstellungen und dem Rausch der Kamerafahrten
durch überraschend freizügige Orgien und Exzesse hingibt, weshalb in den
USA Jugendliche unter 17 Jahren nur mit Begleitung Erwachsener ins Kino
dürfen. Dem gegenüber stehen ruhige Dialogsequenzen, die aufflackernd
ein Scheinwerferlicht auf die einzelnen Charaktere werfen. Letztlich
bleibt "Babylon"
ein Episodenfilm, der verschiedenen Strängen folgt und mosaikartig aus
diesen Farbtupfern in Serienmanier ein große Gemälde zeichnen möchte.
So
entsteht ein Panoptikum, das vor allem Cineasten das Herz höherschlagen
lässt. Sämtliche Charaktere sind Referenzen an reale Vorbilder,
paraphrasieren Stars wie Douglas Fairbanks, Joan Crawford oder
Klatschkolumnistin Louella Parsons. Und auch die Leinwandgrößen der
Jetztzeit kommen zu (Cameo-)Ehren, wenn etwa Spike Jonze als deutscher
Regisseur Otto Strassberger erscheint oder Tobey Maguire als sinistrer
Gangsterboss mit Tränensäcken outrieren darf.
Letztlich reiht sich "Babylon"
in den Trend der Selbstbespiegelung Hollywoods ein, der von Quentin
Tarantinos "Once Upon a Time in Hollywood" über das Biopic "Mank" bis
zum Schwarz-Weiß-Werk "The Artist" reicht. Und doch verliert sich "Babylon"
in seiner Form, verpasst den Fokus zwischen nackter Haut und Elefant
mit Durchfall, Slapstick und Drama, Dekadenz und Leidenschaft. Zum
Schluss setzt der 37-jährige Chazelle gar zum Rundumschlag über die
Geschichte des Kinos an, verlässt den Brennpunkt der aufkommenden
Tonfilmära und treibt die (Selbst-)Referenz auf die Spitze - ein Weg,
den sein Stammkomponist Justin Hurwitz bereits über die vorhergehenden
drei Stunden beschritten hat. Er mischt Jazz mit Tristan-Paraphrasen und
vor allem der beständigen Variation seiner eigenen, legendären "La La
Land"-Musik.
Dafür erhielt Hurwitz jüngst den Golden Globe für die beste Filmmusik - während die übrigen vier Nennungen leer ausgingen. Auch dürfte "Babylon" bei den Oscar-Nominierungen am 24. Jänner gute Chancen auf eine stolze Zahl haben, bei den Preisen selbst aber wohl dünn aussteigen. Denn auch wenn Hollywood die Selbstbespiegelung liebt, schreckt es vor den nackten Tatsachen dann doch meist zurück.