Gastkommentar von Johannes Huber. In Österreich sterben weiterhin mehr Menschen als vor der Pandemie. Ob das mit Lockdowns oder anderen Maßnahmen zusammenhängt, gehört untersucht.
„Wir erleben in
diesem Winter die erste endemische Welle mit SARS-CoV-2, nach meiner
Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei“, sprach der deutsche Virologe
Christian Drosten diese Woche gegenüber der Zeitung „Tagesspiegel“ – und weil
er es sagte, war es vielen ein Faktum: Corona ist überstanden.
Zumindest sind es
jedenfalls Ängste und Befürchtungen, wonach bald jeder jemanden kennen wird,
der an Corona gestorben ist, wie Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor fast drei
Jahren gewarnt hat. Oder die Vorstellung, dass es jederzeit wieder zu einer
Überlastung der Spitäler, einem Lockdown und Schulschließungen kommen könnte,
wie es mit schwindender Wahrscheinlichkeit bis in die jüngste Zeit hinein
möglich schien.
Man sollte jedoch
nicht zur sogenannten Normalität zurückkehren und so tun, als wäre nichts geschehen.
In Tirol hat der damalige Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) im
Spätwinter 2020 mit der Aussage, man habe „alles richtig gemacht“, versucht,
eine Auseinandersetzung mit „Ischgl“ zu ersticken. Zur Erinnerung: Er und
seinesgleichen hatten nach ersten Corona-Fällen Beschwichtigung betrieben.
Schlussendlich ließ man infizierte Gäste in alle Welt hinausreisen und trug so
zu einer beschleunigten Ausbreitung bei.
Heute herrscht ganz offensichtlich auch in der
Bundesregierung die Überzeugung vor, alles richtig gemacht zu haben. Es gibt
jedenfalls keine kritische Auseinandersetzung mit Entscheidungen unter Kurz,
seinem Übergangsnachfolger Alexander Schallenberg sowie Karl Nehammer (alle
ÖVP) bzw. den Gesundheitsministern Rudolf Anschober, Wolfgang Mückstein und
Johannes Rauch (alle Grüne).
Dass man eine solche Auseinandersetzung nicht will, ist
klar. Das ändert aber nichts daran, dass sie notwendig wäre: Es geht nicht
darum, jemanden an den Pranger zu stellen, sondern darum, für die Zukunft zu
lernen. Immerhin könnte es wieder einmal zu einer Pandemie kommen, bei der die
Bevölkerung zunächst ungeschützt ist, weil es weder einen Impfstoff noch
Medikamente zur Behandlung Schwerkranker gibt.
Vielleicht hat die Regierung immer nach bestem Wissen und
Gewissen agiert. Rückblickend kann jedoch eher beurteilt werden, ob das immer
gut war. Zweifel sind angebracht: Schulschließungen haben Jungen zugesetzt.
Auch körperlich: Daten von Stellungspflichtigen zeigen, dass das
durchschnittliche Gewicht in sehr kurzer Zeit um ein Kilo auf rund 77
geklettert ist. Das wird wohl damit zusammenhängen, dass sich zu viele aufgrund
von Beschränkungen noch weniger bewegt haben als sonst.
Beispiel 2: Die Übersterblichkeit dauert an. Daten für die
ersten 49 Kalenderwochen zeigen, dass es heuer noch mehr Sterbefälle geben
dürfte in Österreich als im vergangenen und im vorvergangenen Jahr. Vielleicht
hat eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung (oder Inanspruchnahme etwa auch
von Vorsorgeangeboten) dazu beigetragen. Wissen tut man es nicht. Umso
wichtiger wäre es, das zu untersuchen und etwa auch internationale Vergleiche
durchzuführen.
Man muss herausfinden, was insbesondere Lockdowns gebracht
haben und welchen Preis man dafür bezahlt hat. Die Gesellschaft hat einen
Anspruch darauf. Und die Politik braucht es, um mit fundierten Erfahrungswerten
für weitere Pandemien gerüstet zu sein.
Johannes Huber
betreibt den Blog – Analysen und
Hintergründe zur Politik