Gastkommentar von Johannes Huber. Michael Ludwig weicht mehr denn je von türkis-blauer Migrations- und Integrationspolitik ab. Aber auch von sozialdemokratischer, sofern es eine solche überhaupt gibt.
Michael Ludwig hat in den vergangenen Wochen mehrmals
aufhorchen lassen: Der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Vorsitzende spricht sich
für einen erleichterten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft aus,
lehnt das Veto von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gegen einen
Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien ab und tritt für eine beschleunigte
Arbeitsmarktintegration von Asylwerbern ein.
Was will er? Geht er mehr und mehr zu dem über, was
gemeinhin als linke Politik bezeichnet wird? Auffallend ist, dass er sich
deutlicher denn je auch von eigenen Genossinnen und Genossen unterscheidet: Dem
burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskoszil entspricht das, was er da
fordert, alles in allem eher weniger. Und die Chefin der Bundes-SPÖ, Pamela
Rendi-Wagner, unterstützt das Schengen-Veto im Unterschied zu ihm sogar
ausdrücklich.
Dieser Widerspruch zwischen Ludwig und Rendi-Wagner
überraschte ganz besonders: Immerhin ist er noch immer ihr wichtigster
Unterstützer. Ohne ihn würde sie sich schwertun, sich zu halten. Es geht ihm
jedoch nicht darum, auf Distanz zu ihr zu gehen.
Wichtiger sind ihm zwei ganz andere Dinge: In Wien gibt es
eine wachsende Mitte-Links-Mehrheit. Zum Ausdruck gekommen ist das zuletzt
beispielsweise bei der Bundespräsidenten-Wahl. Alexander Van der Bellen
erreichte in der Stadt mehr als 65, Dominik Wlazny über zehn Prozent der
Stimmen. Zusammen kamen sie auf mehr als drei Viertel davon. Für FPÖ-Mann
Walter Rosenkranz etwa blieben rechts der Mitte – bei zumindest zwei
Mitbewerbern – gerade einmal 10,4 Prozent.
Da trifft es sich gut für Michael Ludwig, dass er Nützliches
mit Vernünftigem verbinden kann: Indem er sich so klar von türkisen und blauen
Zugängen zur Migrations- und Integrationspolitik unterscheidet, umwirbt er
diese Mitte-Links-Mehrheit nur umso deutlicher. Das sollte nicht zum Schaden
sein für ihn und seine Partei.
Im Übrigen aber leben so viele nicht-österreichische
Staatsangehörige und Asylwerber in der Stadt, dass pragmatische Antworten
überfällig sind: Beschleunigte Einbürgerungen unter strengen Auflagen (z.B.
Deutschkenntnisse) wären ein Beitrag zu einer besseren Integration. Grund: Wer
den rot-weiß-roten Pass hat, fühlt sich eher zugehörig.
Daneben gibt es einen wachsenden Arbeitskräftemangel. Es ist
daher naheliegend, ihn auch mit Asylwerbern zu bekämpfen, die eine Aussicht
haben, bleiben zu dürfen. Zumal das kein Widerspruch zu einer konsequenten
Flüchtlingspolitik ist: Wer einmal hier ist und in aller Regel ohnehin nie
abgeschoben wird, sollte gefälligst hackeln dürfen.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe
zur Politik