Der Rechnungshof (RH) übte Kritik an der von ÖVP und FPÖ durchgesetzten Reform der Sozialversicherungen mit der Zusammenlegung der Träger.
In einem am Freitag veröffentlichten Bericht stellen die Prüferinnen und Prüfer fest, dass die versprochene "Patientenmilliarde" nicht zu sehen sei. Die angestrebte Harmonisierung der Versicherungsleistungen sei nur teilweise umgesetzt. Und seit der Fusion fehlen wichtige Kontrollgremien bei den Trägern und beim Dachverband.
Rechnungshof-Kritik an Reform der Sozialversicherungen
Geprüft wurden die Jahre 2018 bis 2020 und das Jahr 2021 soweit wie möglich. Mit der 2020 in Kraft getretenen Reform wurden die 21 Sozialversicherungsträger auf fünf reduziert. Die erklärten Ziele der Reform: Die Harmonisierung der Leistungen sowie den Verwaltungsaufwand zu senken. Konkret sollte der Personal- und Sachaufwand in der Verwaltung der Kassen um 30 Prozent verringert werden, um von 2020 bis Ende 2023 eine Milliarde Euro einzusparen. Diese sollte, so der Plan, durch erweiterte Leistungen den Anspruchsberechtigten zugutekommen.
Keine Einsparungen durch Zusammenlegung der Kassen
Von
diesen Einsparungen kann aber keine Rede sein. Selbst unter der
Annahme, dass die Kosten für den Verwaltungsaufwand auch ohne die Fusion
- etwa wegen der Inflation - gestiegen wären und wenn nur die von der
Fusion tatsächlich betroffenen Sozialversicherungsträger sowie der
Dachverband berücksichtigt werden, lässt sich die im September 2018 von
der damaligen türkis-blauen Bundesregierung angekündigte
Patientenmilliarde bis 2023 nicht darstellen. Im Gegenteil: Auch in
diesem Fall errechneten die Prüferinnen und Prüfer einen Mehraufwand in
der Bandbreite von 34,78 Millionen Euro und 134,10 Millionen Euro.
Sozialministerium konnte Annahme der Einsparung nicht begründen
Der
Rechnungshof kritisiert, dass das Sozialministerium nicht begründen
konnte, wie es zur Annahme kam, bis zum Jahr 2023 eine Milliarde Euro
einzusparen. Wenn politische Ziele und fachliche Einschätzung
voneinander abweichen, wäre es Aufgabe des Sozialministeriums, entweder
andere Maßnahmen zu entwickeln oder die Ziele anzupassen. Die
Sozialversicherungsträger selbst setzten sich im geprüften Zeitraum im
Rahmen der Fusion keine quantifizierbaren Einsparungsziele. Im Gesetz
fehlten auch entsprechende Vorgaben. Angesichts der Kluft zwischen der
tatsächlichen Entwicklung des Verwaltungsaufwands und den Prognosen
"wären gemeinsam mit dem Dachverband der Sozialversicherungsträger neue,
realistische Ziele festzulegen und Maßnahmen zu setzen, um die
Erreichung der Zielsetzungen sicherzustellen", so die Empfehlung der
Prüferinnen und Prüfer. Konkrete Ziele zu allfälligen Einsparungen sowie
eine nachvollziehbare Erfassung von Kosten und Nutzen wären zweckmäßig.
Ziel war harmonisierung der Leistungen der Sozialversicherung
Ein
wesentliches Bestreben der Reform war, die Leistungen innerhalb der
neuen Sozialversicherungsträger zu harmonisieren. Doch: Die Unterschiede
zwischen den Berufsständen, also zwischen den
Sozialversicherungsträgern, wurden nicht verringert, kritisiert der RH.
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) setzte zwar Schritte zur
Leistungsharmonisierung, ein bundeseinheitlicher Gesamtvertrag im
ärztlichen Bereich ist jedoch nicht absehbar. Der Gesetzgeber hat zwar
die Struktur der Sozialversicherungsträger reformiert, die Zuständigkeit
der Landesärztekammern als Verhandlungspartner für
Honorarvereinbarungen jedoch unverändert gelassen. Der RH sieht darin
eine Ursache für die fehlende Vereinheitlichung. Gelingt weiterhin keine
Einigung, empfiehlt er, die gesetzlichen Rahmenbedingungen
umzugestalten, also eine Regelung der Verhandlungs- und Vertragspartner
auf Ärzte- und ÖGK-Seite, in Erwägung zu ziehen.
Kein Kontrollgremium seit der Reform der Sozialversicherung
Vor der Reform
war für jeden Sozialversicherungsträger eine Kontrollversammlung
vorgesehen, die die gesamte Gebarung laufend zu überwachen hatte. Seit
der Reform gibt es jedoch weder eine Kontrollversammlung noch ein
anderes Kontrollgremium. Der RH empfiehlt dem Sozialministerium, auf
eine gesetzliche Regelung zur verpflichtenden Einrichtung eines
Kontrollgremiums für die Träger und den Dachverband und zur direkten
Kommunikation zwischen Aufsichtsorganen und Wirtschaftsprüfern etwa nach
dem Modell der Bankenaufsicht hinzuwirken. Und die Empfehlung des
Sozialministeriums, einen Prüfungsausschuss der Hauptversammlung
einzurichten, wäre umgehend umzusetzen.
RH sieht auch Verbesserungsbedarf bei Bestzung der Führungsebene
Auch bei den
Besetzungsvorgängen der obersten Führungsebene sieht der RH
Verbesserungspotenzial. So schrieb die ÖGK drei Führungspositionen aus,
ohne im Ausschreibungstext Rücksicht darauf zu nehmen, ob zum Beispiel
eine Führungskraft für den IT-Bereich, den Finanzbereich,
Vertragspartnerverhandlungen oder für die Organisation Eigener
Einrichtungen gesucht wurde.
Rechnungshof kritisiert auch teure Beraterverträge ohne Preisvergleich
Außerdem kritisiert der RH teure
Beraterverträge ohne Preisvergleich. So beauftragte das
Sozialministerium um rund 90.500 Euro eine Rechtsanwaltskanzlei mit der
Durchführung eines Vergabeverfahrens von Beratungsleistungen für drei
Sozialversicherungsträger, ohne die Fachabteilung des Ministeriums über
Details zu informieren. Und das Sozialministerium schloss die
Rahmenvereinbarung für die Beratungsleistungen der ÖGK ohne Bewertung
der Konzepte und ohne Preisvergleich.