Von einem handfesten Korruptionsskandal wird das EU-Parlement erschüttert, bei dem das Fußball-WM-Gastgeberland Katar im Fokus steht.
Die belgische Polizei nahm wegen des Verdachts der "bandenmäßigen Korruption und Geldwäsche" fünf Menschen fest - unter ihnen die griechische Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili, sowie deren im EU-Parlament tätigen Lebensgefährten. Es besteht der Verdacht, dass versuchte, die Entscheidungen des Europa-Parlaments zu beeinflussen.
Fußball-WM: Korruptionsskandal um Katar erschüttert EU-Parlament
Die Rede ist von beträchtlichen Geldsummen und Geschenken. Kaili, eine der 14 Vizepräsidenten des EU-Parlaments, sei am Freitagabend in ihrer Brüsseler Wohnung festgenommen worden und werde von der Polizei befragt, verlautete aus mit dem Fall vertrauten Kreisen. Zuvor waren bereits vier Italiener festgenommen worden, unter ihnen Kailis Lebensgefährte Francesco Giorgi, der parlamentarischer Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament ist.
Pier Antonio Panzeri wurde von der Polizei abgeführt
Auch
Pier Antonio Panzeri wurde abgeführt. Er war von 2004 bis 2019
sozialdemokratischer Europaabgeordneter und leitet mittlerweile die
Nichtregierungsorganisation Fight Impunity, die sich gegen
Straflosigkeit bei Menschenrechtsverstößen einsetzt. Auch der
Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), Luca
Visentini, zählt zu den Festgenommenen.
In den Korruptionsfall involviertes Land sei ein "Golfstaat"
Zu dem in den
Korruptionsfall involvierten Land teilte die belgische
Bundesanwaltschaft lediglich mit, dass es sich um einen "Golfstaat"
handle. Dieser stehe im Verdacht, "wirtschaftliche und politische
Entscheidungen des europäischen Parlaments zu beeinflussen", indem er
"beträchtliche Geldsummen zahlt oder erhebliche Geschenke verschenkt".
Begünstigte seien dabei Persönlichkeiten mit einer "politisch und/oder
strategisch bedeutenden Position" im EU-Parlament.
AFP wurde bestätigt, dass es sich um den Golfstaat Katar handle
Der
Nachrichtenagentur AFP wurde aus mit den Ermittlungen vertrauten Kreisen
bestätigt, dass es sich bei dem Golfstaat um Katar handle. Zuvor hatten
dies die belgische Tageszeitung "Le Soir" und die Wochenzeitung "Knack"
nach gemeinsamen Recherchen berichtet.
16 Hausdurchsuchungen wurden in Brüssel durchgeführt
Insgesamt fanden laut
belgischer Bundesstaatsanwaltschaft am Freitag 16 Durchsuchungen in
Brüssel statt. Dabei habe die Polizei Bargeld in Höhe von rund 600.000
Euro sowie Datenträger und Mobiltelefone beschlagnahmt, die nun
ausgewertet würden. Ermittelt wird demnach wegen "bandenmäßiger
Korruption und Geldwäsche".
EU-Abgeordnete Kaili wurde wegen Korruptionsverdacht verhaftet
Die 44-jährige ehemalige
Fernsehmoderatorin Kaili hatte sich kurz vor Beginn der
Fußballweltmeisterschaft in Katar mit dem katarischen Arbeitsminister
Ali bin Samich Al Marri getroffen. Dabei begrüßte sie im Namen der EU
die Zusage Katars, "die Arbeitsreformen fortzusetzen".
Am 22.
November hatte Kaili im EU-Parlament gesagt, die
Fußballweltmeisterschaft in Katar sei "ein konkreter Beweis dafür, wie
Sportdiplomatie zu einer historischen Transformation eines Landes führen
kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Katar sei
"führend bei den Arbeitsrechten". Einigen EU-Abgeordneten warf sie
hingegen vor, Katar zu "drangsalieren" und korrupt zu sein.
NGOs werden Katar seit Jahren Menschenrechts-Verletzungen vor
NGOs
werfen Katar seit Jahren vor, die Menschenrechte hunderttausender
Wanderarbeiter aus Asien und Afrika zu verletzen. Als Reaktion darauf
setzte Doha Arbeitsrechtsreformen in Kraft. Gewerkschaften fordern
allerdings eine konsequentere Umsetzung der neuen Regeln.
IGB-Generalsekretär
Visentini hatte noch in dieser Woche in einem am Freitag von AFP
veröffentlichten Interview die Verbesserung der Situation der Arbeiter
in Katar gelobt. Er rief zugleich dazu auf, "weiterhin Druck auf die
Behörden und Arbeitgeber auszuüben", um bessere Löhne und mehr Mobilität
bei der Arbeit zu erreichen. Der IGB erklärte auf seiner Website, ihm
seien die Berichte über Korruptionsvorwürfe gegen Visentini bekannt, er
kommentiere diese "in diesem Stadium" jedoch nicht.
Berichte über schlechte Behandlung von Arbeitern überschatten WM
Die Berichte über die schlechte Behandlung von Wanderarbeitern überschattet seit Jahren die gegenwärtige Fußball-WM
in Katar. 2021 hatte die britische Zeitung "The Guardian" berichtet,
seit der WM-Vergabe an Katar im Jahr 2010 seien 6500 ausländische
Arbeiter in dem reichen Golfstaat zu Tode gekommen. Katar wies dies
zurück. Nach Angaben der Regierung in Doha kamen zwischen 2014 und 2020
414 Gastarbeiter bei Arbeitsunfällen ums Leben.
Die Internationale
Arbeitsorganisation (ILO) dokumentierte für 2020 etwa 50 tödliche
Arbeitsunfälle in Katar sowie 500 Schwerverletzte. Zugleich hob die ILO
hervor, dass entsprechende Daten vielfach nicht verfügbar seien.