Im Umland der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist eine Anlage zur Energieversorgung durch einen russischen Raketentreffer schwer beschädigt worden.
Das teilte der Energieversorger Ukrenerho am Samstag mit. Der genaue Ort wurde nicht genannt. Spezialisten arbeiteten daran, für Kiew und die Zentralukraine wieder eine zuverlässige Stromversorgung herzustellen, hieß es. Später wurden die Bürger zum Stromsparen aufgefordert.
Stromsparaufruf nach Raketen-Treffer auf Energieanlagen
"Bitte laden Sie
jetzt, vor dem Abend, Mobiltelefone und Powerbanks auf", schrieb der
Energieversorger an seine Kunden. Sie sollten ihr Abendessen zudem
früher zubereiten, damit bis 23.00 Uhr (Ortszeit, 22.00 Uhr MEZ)
"strikt" weniger Strom verbraucht werde. Grund sei, dass der Strom von
Starkstromtrassen auf weniger leistungsfähige Leitungen umgeleitet
werden müsse, schrieb das Unternehmen bei Facebook. Sollte der Verbrauch
stark steigen, seien Notabschaltungen notwendig. "Terroristen
versuchen, unsere Umspannwerke zu zerstören, weil sie so vielen Menschen
wie möglich den Strom auf einmal entziehen wollen", hieß es weiter.
Wegen der Angriffe aus der Luft war in der gesamten Ukraine morgens zeitweise Luftalarm ausgelöst worden. Auch in der frontnahen Stadt Saporischschja wurden nach Behördenangaben Industrie- und Energieanlagen getroffen. Die Druckwelle einer Explosion habe zudem 16 Wohngebäude beschädigt. Verletzte gebe es aber nicht.
Russland verstärkte Beschuss auf Energie- und Wasserversorgung
Russland hat seit Beginn dieser
Woche den Beschuss des ukrainischen Hinterlandes verstärkt und zielt vor
allem auf die Zerstörung der Energie- und Wasserversorgung. Russische
Quellen berichteten am Samstag von ukrainischem Beschuss auf die Stadt
Donezk und auf Nowa Kachowka am Unterlauf des Flusses Dnipro (Dnepr). In
Donezk sei eine Frau getötet worden. Unabhängige Bestätigungen für
diese Angaben gab es nicht.
Unterdessen ging in der russischen Grenzregion Belgorod nach einem Bombardement neuerlich ein Öldepot in Brand auf. "Wir werden wieder beschossen. Eine der Granaten hat das Öldepot in der Region Belgorod getroffen", erklärte der Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow. Die Einsatzkräfte seien an Ort und Stelle, es bestehe "kein Risiko", dass das Feuer sich ausbreite, hieß es weiter. Auf einem vom Gouverneur veröffentlichten Foto waren Flammen und Schwaden schwarzen Rauchs zu sehen, die über einem Gebäude aufstiegen.
Neuer Angriff durch ukrainische Armee im Gebiet Cherson
Die
ukrainische Armee hat nach russischen Informationen einen neuen Angriff
zur Befreiung des besetzten Gebietes Cherson im Süden des Landes
begonnen. Allerdings gingen die Angaben am Samstag auseinander. Der
Vizechef der Besatzungsverwaltung, Kirill Stremussow, sagte, es habe
lediglich Artilleriefeuer gegeben. Das russische
Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, die Attacke sei abgewehrt
worden. Dagegen berichteten russische Militärblogger von andauernden
erbitterten Kämpfen. Die ukrainische Armee setze viele Panzer und
Panzerfahrzeuge ein.
Ziel der Angriffe seien die Orte Dudtschany und Mylowe, um das von russischen Truppen besetzte Gebiet am nordwestlichen Ufer des Dnipro weiter zu verkleinern. Mögliche Rückzugswege der Russen über den Fluss hat die Ukraine mit Artilleriefeuer aus der Ferne in den vergangenen Wochen systematisch abgeschnitten.
110 "Feuermissionen" im Süden der Ukraine
Die ukrainische Armee machte unbestimmte Angaben zu
den Operationen im Süden. Demnach gab es "110 Feuermissionen" durch
Raketen und Artillerie sowie zwei Luftangriffe, die sich insbesondere
gegen Luftabwehrstellungen des Feindes gerichtet hätten, hieß es nach
Angaben der Agentur Ukrinform. Die Lage sei gespannt, aber unter
Kontrolle. Es seien mehrere russische Drohnen abgeschossen worden, vor
der Küste seien elf russische Kriegsschiffe lokalisiert worden. Die
Schiffe zum Getreideexport würden aber planmäßig verkehren, allein am
Samstag hätten sieben Schiffe mit 101.000 Tonnen Lebensmittel an Bord
ukrainische Häfen verlassen.
Von Russland mobilisierte Reservisten werden nach britischen Angaben mit mangelhafter Ausrüstung in den Krieg gegen die Ukraine geschickt. Kontingente russischer Reservisten seien in den vergangenen beiden Wochen in die Ukraine entsandt worden, schrieb das britische Verteidigungsministerium am Samstag in seinem regelmäßigen Geheimdienst-Update zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Das durchschnittliche Niveau ihrer persönlichen Ausrüstung ist mit ziemlicher Sicherheit niedriger als die ohnehin schlechte Versorgung von zuvor eingesetzten Truppen."
Russische Reservisten müssen sich Schutzwesten selbst kaufen
Viele Reservisten
müssten ihren eigenen Körperschutz wahrscheinlich selbst kaufen, vor
allem eine moderne Schutzweste vom Typ 6B45, die eigentlich im Rahmen
des russischen Ausrüstungsprogramms Ratnik generell an Kampftruppen
ausgegeben werden sollte. Deren Preis habe sich im russischen
Online-Handel seit April mehr als verdreifacht.
Russland hat unterdessen die ersten Soldaten für eine gemeinsame Truppe mit Belarus in das Nachbarland geschickt. Das belarussische Verteidigungsministerium in Minsk bestätigte am Samstag die Ankunft mehrerer Eisenbahnzüge mit russischen Soldaten. Angaben zu den aktuellen Zahlen der Truppenverlegung oder zur künftigen Stärke der Gemeinschaftstruppe wurden nicht gemacht.
Russische Soldaten in Belarus eingetroffen
Der belarussische Machthaber Alexander
Lukaschenko hatte am Montag die Aufstellung einer gemeinsamen regionalen
Truppe mit Russland bekanntgegeben. Sie solle angesichts der steigenden
Spannungen die belarussische Grenze schützen. Russland hat Belarus als
Aufmarschgebiet für den Krieg gegen die Ukraine genutzt und startet von
dort auch Luftangriffe auf ukrainische Ziele. Ein eigenes Eingreifen von
Belarus in den Krieg wird von Militärbeobachtern bisher für wenig
wahrscheinlich gehalten.