Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) forderten am Sonntag zum Reden über psychische Erkrankungen auf.
Psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten Ursachen krankheitsbedingter Beeinträchtigungen in Europa. In Österreich ist jährlich etwa jeder Vierte von einer psychischen Beeinträchtigung betroffen. Die Bundesregierung nahm nun den WHO-Welttag der psychischen Gesundheit am Montag (10. Oktober) zum Anlass, um auf bereits gesetzte Maßnahmen und künftige Ziele hinzuweisen. Volksanwalt Bernhard Achitz forderte indes u.a. Verbesserungen bei der Psychotherapie-Versorgung.
Psychische Erkrankungen: Eine Auffordern "zum Reden"
"Psychische Gesundheit geht uns alle an, egal ob jung oder alt!", lautet die Botschaft der gemeinsamen Aussendung von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) am Sonntag. Psychische Gesundheit und Stabilität seien nicht zuletzt wesentliche Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe, sozialen Zusammenhalt, berufliche Leistungsfähigkeit und das Erreichen persönlicher Lebensziele. Daher ermutigten die beiden Regierungsmitglieder die Menschen, sich über das eigene Wohlbefinden mitzuteilen und auszutauschen.
"Reden hilft. Sich Hilfe zu holen, zeigt Stärke!"
"Reden hilft. Sich Hilfe zu holen,
zeigt Stärke! So wie wir viele physische Erkrankungen früh erkennen
können und vorsorgend handeln, müssen wir auch unser Bewusstsein für
wirksame präventive Maßnahmen besser schärfen. Reden wir darüber,
schauen wir auf unsere psychische Gesundheit", appellierte Rauch. In der
Aussendung wurde auch auf Maßnahmen und künftige Themen hingewiesen.
Projekt für psychische Erkrankungen "Gesund aus der Krise"
Speziell
erwähnt wurde dabei das Projekt "Gesund aus der Krise", das einen
niederschwelligen Zugang zur psychologischen und psychotherapeutischen
Behandlung für Kinder und Jugendliche bewirken soll. Plakolm dazu: "Ich
bin sehr froh, dass wir das Paket über 13 Mio. Euro im Frühjahr
gemeinsam auf den Weg bringen konnten. Gerade nach Monaten des Lockdown,
Distance-Learning, abgesagten Maturabällen und Lehrabschlussfeiern war
es dringend notwendig einen Fokus auf junge Menschen und deren
psychische Gesundheit zu legen, die ganz besonders unter den Folgen der
Pandemie gelitten haben. Wir haben erstmals einen One-Stopp-Shop für
junge Menschen mit psychischen Problemen geschaffen, an dem Sie
unkompliziert verfügbare Therapieplätze anfragen können. Und das Projekt
läuft hervorragend, davon konnte ich mir erst vor einigen Wochen selbst
ein Bild machen im Gespräch mit den Beraterinnen und Beratern der
Koordinationsstelle. Ich möchte dem Budget nicht vorgreifen, aber ich
bin sehr zuversichtlich, dass wir dieses einmalige Projekt fortsetzen
werden können."
Im fokus ist das Thema Stigmatisierung
Ein Fokus soll auf das Thema Stigmatisierung
gelegt werden. Stigmatisierung stelle für Betroffene oftmals eine
zusätzliche Belastung dar, könne die Heilung behindern und werde daher
auch als "zweite Erkrankung" bezeichnet, hieß es dazu in der Aussendung.
"Ich sehe den Tag als Gelegenheit, darüber zu sprechen, was noch getan
werden muss, damit die psychische Gesundheitsversorgung für die Menschen
weltweit und besonders bei uns in Österreich Realität wird. Wir müssen
den Wert und das Engagement, das wir als Einzelpersonen, Gemeinschaften
und Regierungen der psychischen Gesundheit entgegenbringen, verstärken
und diesen Wert mit mehr Engagement, Einsatz und Investitionen aller
Beteiligten in allen Sektoren verbinden. Unser Ziel ist es, dass die
psychische Gesundheit geschätzt, gefördert und geschützt wird und alle
Menschen Zugang zu erschwinglicher, hochwertiger und der von ihnen
benötigten psychosozialen Versorgung haben", unterstrich Minister Rauch.
Eine Kompetenzgruppe zum Thema Entstigmatisierung befasst sich daher
mit Empfehlungen für ein multi-strategisches Vorgehen gegen das Stigma
psychischer Erkrankungen in Österreich.
Psychosoziale Gesundheit verstärkt in Gesundheitsbegriff eingegliedert
Zusätzlich soll künftig
die psychosoziale Gesundheit auch verstärkt in den Gesundheitsbegriff
eingegliedert werden. Darauf gibt es schon seit längerem ein politisches
Auge: "Die psychosoziale Gesundheit fördern" ist eines der zehn
definierten Österreichischen Gesundheitsziele, die 2012 in einem
partizipativen Prozess mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und
Gesellschaft entwickelt und in der Folge vom Ministerrat beschlossen
wurden, unterstrich der Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) in einer
Aussendung. Bis zum Jahr 2032 bilden sie den Handlungsrahmen für eine
gesundheitsförderliche Gesamtpolitik. "Der Fonds Gesundes Österreich
arbeitet in vielen Lebenswelten daran, die psychische Gesundheit
umfassend zu fördern. In Kindergärten und Schulen, in Betrieben sowie
auf kommunaler Ebene", erklärte FGÖ-Leiter Klaus Ropin, die dazugehörige
Strategie. Der FGÖ ist die nationale Kompetenz- und Förderstelle für
Gesundheitsförderung.
Kritik der Versrogungssituation bei psychischen Erkrankungen
Kritik an der Versorgungssituation in
Österreich übte indes Volksanwalt Achitz. "Im österreichischen
Gesundheitssystem hat die psychische Gesundheit noch immer nicht den
gleichen Stellenwert wie die körperliche", stellte er in einer
Aussendung fest. "Beim Zugang zu Psychotherapie herrscht
Zweiklassenmedizin, die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist eine
Dauerbaustelle. Und wie im gesamten Care-Bereich ist auch an den
Psychiatrien der Personalmangel ein wesentlicher Risikofaktor für
Menschenrechtsverletzungen."
Achitz fordert mehr Personal beim Thema psychische Gesundheit
Für Achitz ist jedenfalls der
Schlüssel zur Verbesserung der Situation: mehr Personal. "Um
Unterbringungen in der Psychiatrie zu vermeiden, müssen niederschwellige
Behandlungsangebote wie etwa Krisendienste und aufsuchende ambulante
Versorgung ausgebaut werden."