Der Kieler Dozent Ingwer Feddersen verlässt seinen Unijob für einige Zeit, um sich um seine beiden "Alten" in seinem Heimatdorf Brinkebüll zu kümmern. Dort hat die Flurbereinigung der 1970er-Jahre mitsamt ihren Folgen für massive Veränderungen und Verwerfungen im Leben der Gemeinschaft gesorgt. Doch auch in der Vergangenheit war nicht alles so geordnet, wie es damals schien, wie Ingwer feststellen muss. Noch einmal stellt sich dem Mittvierziger die Frage, wer er wirklich ist und wohin er gehört.
Die Felder sind riesig, die Wallhecken verschwunden. Bäume wurden gefällt, um Straßen breiter zu machen. Größer sind auch die Bauernhöfe, dafür gibt es weniger. In den Dörfern haben die Lebensmittelläden, Schulen und Gasthöfe geschlossen. So sieht sie aus, die Flurbereinigung, die seit den 1970ern das Gesicht der ländlichen Regionen verändert hat. Diesen Prozess schildert die Romanverfilmung "Mittagsstunde". Ab Freitag im Kino.
Mittagsstunde - Kurzinhalt zum Film
Der Film basiert auf dem gleichnamigen Werk der deutschen Bestsellerautorin Dörte Hansen ("Altes Land"), das 2018 erschien. Die Geschichte hat der ebenfalls aus dem Norden stammende Regisseur und Produzent Lars Jessen ("Für immer Sommer 90") nun still, stimmig und stimmungsvoll verfilmt.
Der Kieler Dozent Ingwer Feddersen (Charly
Hübner) verlässt seinen Unijob und seine seltsame Dreier-WG für einige
Zeit, um sich um seine beiden "Alten" in seinem nordfriesischen
Heimatdorf Brinkebüll zu kümmern. Doch auch in der Vergangenheit war
nicht alles so geordnet, wie es damals schien, wie Ingwer feststellen
muss. Noch einmal stellt sich dem Mittvierziger die Frage, wer er
wirklich ist und wohin er gehört.
In deutlichen Zeitsprüngen zeigt Jessen die Veränderungen und Verwerfungen in melancholisch realistischen Bildern. Brutal sieht es aus, wenn Lastwagen und Autos vorbei an teils leer stehenden Häusern mit ihren sprossenlosen Fensterlöchern auf asphaltierten Fahrwegen durch die fiktive Ortschaft Brinkebüll donnern - und schon mal ein Rad fahrendes Kind überrollen.
Mittagsstunde - Die Kritik
Für
anrührende Innerlichkeit sorgen dafür wunderbare Darsteller, zu denen
in den Rollen der Großeltern und hinfälligen Gastwirtsleute auch
Hildegard Schmahl ("Der junge Häuptling Winnetou") und Peter Franke
("Ostfriesenblut") gehören. Beide Schauspieler scheuen sich nicht, ihre
nackte Haut sowie weitere körperliche und geistige Altersspuren
vorzuführen.
Wie es nordfriesischen Landleuten zu eigen ist, läuft
deren Verständigung beziehungsweise Nicht-Verständigung eher nonverbal.
"Na - wat sechst du?" (Was sagst du?) - so lakonisch klingt
landesüblich eine herzliche Begrüßung nach Jahrzehnten unter
Jugendfreunden. Gerade Hübner, eigentlich eine wuchtige Erscheinung,
nimmt sich bemerkenswert zurück als Großstadtmensch, der durch seinen
Pflegeeinsatz Abbitte leisten will, weil er meint, die beiden Alten und
ihren "Krog" (Gasthaus) einst im Stich gelassen zu haben. So deutet er
Ingwers Rührung, seine Erinnerungen und seine Suche nach Klärung der
Verhältnisse vor allem mit feinem Mienenspiel an.
Wobei sein Ingwer auf Vorkommnisse in der Vergangenheit stößt, die seine Identität nachhaltig berühren. Was auch mit dem verstörten und verträumten, inzwischen längst toten Dorfmädchen Marret (Gro Swantje Kohlhof) zu tun hat. Dabei sollte erwähnt werden, dass mit Lennard Conrad als jungem Ingwer sowie in Gabriela Maria Schmeide und Rainer Bock als den jungen "Olen" ebenfalls exzellente Besetzungen gefunden wurden.