Gastkommentar von Johannes Huber. Die hohen Strompreise müssen abgefedert werden. Man kann es damit aber auch übertreiben – und riskieren, dass sich Energieknappheit verschärft.
Gerechtigkeit für Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), seine
Ministerinnen und Minister: So notwendig es ist, die hohen Strompreise
abzufedern, so unmöglich ist es, das treffsicher zu machen. Man kann
Sonntagsreden, wonach nur denen geholfen werden soll, die es brauchen, auf die
Schnelle nicht gerecht werden. Abgesehen davon, dass immer auch
Definitionsfragen mitschwingen, müsste man erst in Erfahrung bringen, wie viel
Geld in einem Haushalt vorhanden ist, wie gut isoliert das Gebäude ist, womit
geheizt wird, wie hoch der Energiebedarf ist etc. Erst dann könnte man sagen,
wie viel Förderung erforderlich ist, damit es unter vertretbaren Umständen
möglich ist, sich über einen durchschnittlichen Winter hinweg eine
Mindesttemperatur von tagsüber, sagen wir, 19 Grad leisten zu können. Allein:
Die meisten Daten dazu gibt es nicht. Der Staat weiß viel, entscheidende
Informationen fehlen ihm jedoch.
Also haben Nehammer und Co. nun zwangsläufig zur Gießkanne
gegriffen. Daraus kann man ihnen keinen Vorwurf machen. Das Problem ist, dass
sie selbst auf mögliche Differenzierungen verzichtet haben (zum Beispiel nach
Haushaltsgröße). Dass sie für einen sehr niedrigen Strompreis sorgen und nichts
dagegen einzuwenden haben, dass etwa das Land Niederösterreich für einen noch
niedrigeren Strompreis sorgen möchte, sodass in Einzelfällen sogar eine
Gutschrift herauskommen kann. Dass Strom also wenig bis nichts kostet.
Das wird ohne Zweifel sehr gut ankommen. Und genau das ist
wohl auch die Absicht: Bald wird in Tirol und Anfang des kommenden Jahres in
Niederösterreich gewählt. Nehammers ÖVP sieht sich gezwungen, Stimmungspflege
zu betreiben, um größere Verluste abzuwenden. Da kennt sie keine Hemmungen.
Das Risiko, das sich das letztlich rächen wird, ist jedoch
groß: Zahlen muss das Ganze nicht irgendwer, sondern der Steuerzahler, die
Steuerzahlerin. Aufgrund der Inflation sorgen sie schon für ein stark
steigendes Umsatzsteueraufkommen. Das wird jedoch nicht ausreichen, um
zusätzlich zu Pensionsanpassungen auch noch Ausgleichsmaßnahmen wie eben die
Strompreisbremse zu finanzieren. Nachfolgende Generationen werden zur Kasse
gebeten werden müssen.
Kurzfristig läuft es wiederum darauf hinaus, dass es eher zu
Energieengpässen kommen könnte: Wer spart schon, wenn ihm der finanzielle Druck
abgenommen wird? Wohl nur wenige. Zumal Österreich im Unterschied zu anderen
Ländern bisher darauf verzichtet hat, eine breitere Öffentlichkeit dafür zu
sensibilisieren, dass der Verbrauch möglichst kleingehalten werden sollte, um
Versorgungsengpässe oder gar einen Blackout im Winter zu vermeiden, so gut es
geht.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe
zur Politik