Als Ersatz für Strom aus Erdgas steht in Deutschland das erste Steinkohlekraftwerk vor dem Neustart.
Es handelt sich um das Kraftwerk Mehrum im niedersächsischen Hohenhameln (Landkreis Peine) zwischen Hannover und Braunschweig, das dem tschechischen Energiekonzern EPH gehört. Es sei bisher die einzige "Marktrückkehr" eines Kraftwerks, die der Bundesnetzagentur angezeigt worden sei, teilte die Behörde auf Anfrage mit.
Steinkohlekraftwerke dürfen aus Netzreserve wieder in Betrieb gehen
Seit 14. Juli erlaubt eine Verordnung, dass Steinkohlekraftwerke aus der sogenannten Netzreserve wieder in Betrieb gehen können, um Erdgas einzusparen. Im Juni lag der Erdgasanteil an der Stromerzeugung in Deutschland laut Bundesnetzagentur bei 11,2 Prozent.
Kraftwerk Mehrum soll wieder Strom produzieren
Das
Kraftwerk Mehrum befindet sich seit Anfang Dezember 2021 in der
Reserve, wie die Kaufmännische Leiterin der Betreibergesellschaft,
Kathrin Voelkner, sagte. "Wir haben die Rückkehr an den Strommarkt
erklärt. Wir gehen davon aus, dass wir kurzfristig ans Netz
zurückkehren." Das Kraftwerk hat eine Nettoleistung von 690 Megawatt.
2018 erzeugte es so viel Strom, dass damit theoretisch mehr als eine halbe Million Musterhaushalte mit Strom versorgt werden konnten.
Die Verordnung der deutschen Regierung erlaubt den Stromverkauf aus Reservekraftwerken, die mit Steinkohle oder Öl befeuert werden, bis Ende April 2023. Das Wiederanfahren für mehrere Monate ist für Kraftwerksbetreiber wirtschaftlich interessant, weil die Strom-Großhandelspreise derzeit hoch sind. Gleichzeitig ist ausreichend Steinkohle auf dem Weltmarkt vorhanden. Mit der Maßnahme soll Erdgas aus dem Strommarkt verdrängt werden.
Energiekonzern Steag will wieder mehr Strom verkaufen
Wieder mehr Strom
verkaufen will auch der Energiekonzern Steag. Man habe die "feste
Absicht", mit 2.300 Megawatt Erzeugungsleistung in den Markt
zurückzukehren, sagte Unternehmenssprecher Markus Hennes. Darin
enthalten sind zwei Blöcke im Saarland, die bereits in der Reserve sind,
und zwei weitere Blöcke im Saarland und in Nordrhein-Westfalen, die
Ende Oktober eigentlich stillgelegt werden sollten. Hürden sieht die
Steag noch bei der finanziellen Absicherung der großen Kohlevorräte, die
laut Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG) vorliegen müssen, und
bei der Transportlogistik. So seien die Kapazitäten auf Schiff und
Schiene derzeit begrenzt.
Auch das Energieunternehmen Uniper prüft
die Rückkehr seiner Reserveanlagen mit einer Leistung von insgesamt
mehr als 2.000 Megawatt in den Markt. Noch sei aber keine Entscheidung
gefallen, sagte Sprecher Oliver Roeder. "Leider kann auch momentan nicht
gesagt werden, wann es zu einer Entscheidung kommt, da unter anderem
noch technische, organisatorische und betriebswirtschaftliche Probleme
zu lösen sind."
Der Energiekonzern EnBW will seine fünf
Reservekraftwerke nicht zurück an den Markt bringen, da sie aus
Altersgründen nicht mehr ununterbrochen laufen könnten. Unabhängig von
den EKBG-Sonderregelungen will das Unternehmen vor dem Hintergrund des
Ukraine-Kriegs und der aktuellen Entwicklung auf dem Gasmarkt jetzt aber
einen Kohleblock in Karlsruhe mindestens bis Ende des Winters 2023/24
weiterlaufen lassen. Ursprünglich wollte EnBW im Zuge des Kohleausstiegs
diesen Block im Sommer 2022 zur Stilllegung anmelden.
Neben der bereits gültigen Verordnung für Steinkohle- und Öl-Kraftwerke wird für Anfang Oktober auch eine Verordnung für das Wiederanfahren von bereits stillgelegten Braunkohlekraftwerken vorbereitet. Hinzu kommt eine Gaseinsparverordnung, die die unnötige Verstromung von Erdgas verhindern soll. "Die Verordnung wird aktuell vorbereitet und tritt dann in Kraft, wenn sich abzeichnet, dass noch mehr Gas bei der Stromerzeugung eingespart werden muss", hatte das Wirtschaftsministerium am 21. Juli mitgeteilt.