Derzeit stockt der Kampf gegen HIV, unter anderem wegen dem Kampf gegen das Coronavirus.
Aus Sorge vor einer weiteren Verbreitung von war 2020 sogar die gesamte Welt-Aids-Konferenz, die eigentlich in den kalifornischen Städten San Francisco und Oakland hätte stattfinden sollen, erstmals ins Internet verlagert worden. Zwei Pandemie-Jahre später startet nun am Freitag (29. Juli) die nächste Auflage der 1985 erstmals durchgeführten Konferenz.
Viele Forscher mussten sich auf Corona konzentrieren
Diesmal findet die Veranstaltung bis zum 2. August im kanadischen Montreal statt - zumindest teilweise wieder mit Experten und Teilnehmern an Ort und Stelle. "Im Rahmen der Corona-Pandemie ist es international zu dramatischen Reduktionen von HIV-Test- und Beratungseinrichtungen gekommen", sagt Jürgen Rockstroh, Professor am Universitätsklinikum Bonn, der an der Welt-Aids-Konferenz teilnimmt. "Notwendige Laborkontrollen wurden gestreckt. Engpässe in der Medikamentenversorgung sind vielfach berichtet worden. Zudem haben sich viele Forscher - aber auch Public-Health-Kollegen - auf Covid konzentrieren müssen, so dass für HIV viele Ressourcen verloren gegangen sind."
Kampf gegen HIV stockte wegen Corona
Die Zahlen spiegeln das wieder: Der Kampf gegen HIV und Aids sei weltweit ins Stocken geraten, hieß es in einem vor
Beginn der Konferenz veröffentlichten Bericht des UN-Programms für den
Kampf gegen Aids (UNAIDS). In einigen Regionen, in denen die Zahl der
Neuinfektionen zuvor gesunken war, stieg sie nun wieder; Millionen von
Leben seien bedroht.
1,5 Mio Menschen im vergangenen Jahr neu mit HIV infiziert
Weltweit hätten sich im vergangenen Jahr rund
1,5 Millionen Menschen neu mit dem HI-Virus infiziert. Damit sei die
Zahl der Neuinfektionen im Vergleich zum Vorjahr zwar immer noch
gesunken, allerdings nur noch um 3,6 Prozent - so wenig wie seit 2016
nicht mehr. Unter anderem in Osteuropa, Teilen Asiens, Lateinamerika,
dem Nahen Osten und Nordafrika sei die Zahl der Neuinfektionen
gestiegen. Auch im Osten und Süden Afrikas sei der Fortschritt ins Stocken geraten. Einen Rückgang der Infektionen habe es beispielsweise in West- und Zentralafrika sowie in der Karibik gegeben.
HIV wird unbehandelt zu Aids
Wenn
eine HIV-Infektion nicht behandelt wird, schwächt das Virus das
Immunsystem so stark, dass lebensgefährliche Krankheiten auftreten. Man
spricht dann von Aids (Erworbenes Immunschwäche-Syndrom).
Auswirkungen der Corona-Pandemie bremsten Kampf gegen Aids
"Die
neuen Daten bestätigen unsere schlimmsten Befürchtungen - dass die
Auswirkungen der weltweiten COVID-19-Pandemie und der anderen Krisen den
Kampf gegen Aids ausgebremst haben", kommentierte Tom Hart, Chef der
Entwicklungsorganisation One, per Mitteilung. "Der Fortschritt von zwei
Jahrzehnten wurde in nur zwei Jahren jäh gestoppt."
Der Bericht
bringe "schmerzhafte, aber lebenswichtige Neuigkeiten", sagte
UNAIDS-Chefin Winnie Byanyima bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Der
US-Immunologe Anthony Fauci sprach von einem "Weckruf", der daran
erinnere, "dass wir es besser machen können".
Schwere Corona-Verläufe bei HIV-Infizierten
Bei HIV-Infizierten, die sich zusätzlich mit Corona anstecken, sind schwere Verläufe der Covid-19-Erkrankung deutlich wahrscheinlicher. "Corona-Impfungen schlagen aber auch bei Menschen, die mit HIV leben, gut an", sagt Mediziner Rockstroh. Sie sollten entsprechend priorisiert werden.
Ukraine-Krieg und Wirtschafslage bremsten ebenfalls HIV-Kampf
Neben der Corona-Pandemie bereiteten unter anderem auch der Krieg in der Ukraine, das vermehrte Auftreten von Affenpocken und die schwierige weltwirtschaftliche Lage Sorgen
im Kampf gegen HIV und Aids. Daher sei die Konferenz nun sehr wichtig,
sagt Rockstroh. "Es gibt großen Bedarf, sich wieder auszutauschen und
über Strategien zur HIV-Elimination in Zeiten von Pandemien und Krieg zu
diskutieren." Denn eigentlich seien alle Werkzeuge, die dafür benötigt
würden, HIV zu beenden, vorhanden - unter anderem antiretrovirale
Therapien und effiziente Präventionsmaßnahmen in Form von Tabletten oder
Spritzen.
Viele Menschen, gerade aus stark von HIV und Aids
betroffenen Ländern, hätten kein Visum zur Teilnahme an der Konferenz in
Kanada bekommen, beklagt Nitika Pant Pai von der McGill-Universität in
Montreal. Sie wünsche sich, dass die kommenden Konferenzen
beispielsweise in Asien oder Lateinamerika stattfänden. "Es ist höchste
Zeit, dass sich die Machtstruktur und die Entscheidungshoheit zugunsten
derjenigen Länder verschieben, die am meisten leiden."
Kampf gegen HIV ist Langstreckenflug
Pai vergleicht den Kampf gegen HIV und Aids mit einem Langstreckenflug: Vor Beginn der Corona-Pandemie habe man gehofft, eine gute Flughöhe erreichen zu können. Viele Länder seien auf einem sehr guten Weg gewesen. Mit Corona erlebe dieser Flug nun Turbulenzen - aber die Pandemie habe auch positive Faktoren gebracht, vor allem in Hinblick auf Forschung, etwa an Impfstoffen.
Pai zeigt sich optimistisch im HIV-Kampf
Pai zeigt sich optimistisch: "Bei HIV können wir den Horizont der Eliminierung erkennen", sagt die Wissenschafterin - und greift wieder auf ihre Flug-Metapher zurück. "Wir nehmen jetzt die Fäden wieder auf. Wir versuchen, zu unserem Langstreckenflug zurückzukehren, die Selbstzufriedenheit abzustreifen und wieder auf den Weg zur Eliminierung zu kommen, so dass wir bei dieser einen Pandemie eine sanfte Landung hinbekommen."