Der Russland-Experte und Politologe Gerhard Mangott warnt, dass man sich nicht darauf verlassen könne, dass weiterhin Gas durch die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 1 fließt.
"Russland spielt mit Europa wie die Katze mit einer Maus - sie jagt sie und tötet sie langsam, aber unerbittlich", sagt der Professor der Universität Innsbruck, Gerhard Mangott, am Donnerstag in einem Gespräch mit der APA. Ein Gassparzwang sei "genau, was Putin will", erklärt der Russland-Experte.
Russland-Experte Mangott: "Gassparzwang ist, was Putin will"
Nach einer zehntägigen Wartung von Nord Stream 1, die am Donnerstag endete, liefert Russland aktuell wie auch schon zuvor nur einen Teil der vereinbarten Gasliefermenge. Dass dies tatsächlich an einer fehlenden Turbine liegt, wie von Russland behauptet, bezweifelt Mangott. Schließlich sei die Turbine ursprünglich erst für Herbst geplant gewesen und auch ohne die Turbine könne mehr Gas geliefert werden, als das aktuell gemacht werde. Mangott erscheint es logisch, dass der Gaskonzern Gazprom diese Mengenreduktion technisch begründet: "Sonst müsste man ja zugeben, dass man die Lieferungen aus politischem Kalkül abschwächt, um bestimmte Effekte zu erzielen." Die Absicht Russlands dahinter sei, in der EU-Bevölkerung Angst zu streuen und sie zu spalten.
Gasspar-Pläne der EU könne zu Protesten und Instabilität führen
Die
Ankündigung der Europäischen Kommission vom Mittwoch, die EU-Länder im
Notfall zum Gassparen zwingen zu wollen, könnte eine solche soziale und
politische Spaltung des Westens nach Einschätzung Mangotts unterstützen:
"Wenn die Leute ihre Wohnungen nicht mehr wie gewohnt heizen können
oder ihre Jobs verlieren, weil die Industrie nicht mehr genug Gas
bekommt, entsteht eine politisch gefährliche Gemengelage." Das könne in
vielen EU-Staaten zu Protesten führen und politische Stabilität
untergraben. Das sei genau, was der russische Präsident Wladimir Putin
wolle. Daher empfiehlt der Politologe, mit solchen Sparzwängen
vorsichtig umzugehen.
EU-Sanktionen würden laut Mangott Russland klar stärker schaden
Immer wieder wird diskutiert, wem die seit
Februar verhängten Sanktionen gegen Russland mehr schaden - Russland
oder dem Westen. Für Mangott ist klar, dass sie Russland stärker
schaden: "Wer sagt, Europa sei stärker betroffen, hat eine politische
Agenda, denn objektiv ist das nicht der Fall." Mittel- und langfristig
würden die negativen Folgen für Russland sichtbarer werden.
Sanktionen könnten laut Experten Ukraine-Krieg nicht beenden
Dass
die Sanktionen den Krieg in der Ukraine noch beenden können, hält der
Experte aber für unwahrscheinlich. "Damit würde Putin der eigenen
Bevölkerung signalisieren, dass er sich letztlich dem Westen gebeugt
hat, eingeknickt ist und verloren hat. Die vielen Kosten, die der Krieg
Russland schon gebracht hat, wären dann umsonst gewesen. Das kann er
sich politisch nicht leisten", so Mangott. Der Experte glaubt deshalb,
dass auch weitere Sanktionspakete Putin diesbezüglich nicht umstimmen
können. Gleichzeitig sei auch eine Verhandlungslösung derzeit nicht in
Sicht. "Ich glaube, dass dieser Krieg noch mindestens viele Monate
dauern wird", schätzt Mangott. Im Winter könne es möglicherweise ein
Abflauen der Kämpfe und eine Art Pause geben, bevor es im Frühjahr
weitergehe.
Russland drohte auch Ziele außerhalb des Donbass zu erobern
Zur Drohung des russischen Außenministers Sergej
Lawrow am Mittwoch, auch Ziele außerhalb des Donbass erobern zu wollen,
sagt Mangott: "Das ist zum Teil eine Reaktion auf die ukrainische
Ankündigung, das gesamte Territorium wieder zurückerobern und auch die
Krim angreifen zu wollen." Die Botschaft Lawrows sei aber auch eine an
den Westen. Er wolle damit sagen: Russland ist entschlossen, diesen
Krieg zu gewinnen - koste es, was es wolle.