Gastkommentar von Johannes Huber. Der Bundespräsident zeigt Karl Nehammer und den übrigen Regierungsmitgliedern, wie man den Krieg und Folgen davon vermittelt. Sie können es nicht – und scheitern auch.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte zu lange
geschwiegen, eher er bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele diese Woche
nicht nur redete, sondern auch etwas zu sagen hatte. In die Schlagzeilen
schaffte es die Kopfwäsche für Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler
Werner Kogler (Grüne) und die übrigen Regierungsmitglieder. Sie müssten mehr
liefern und vor allem auch besser und deutlicher kommunizieren, was Sache ist,
lautete die Botschaft.
Im Grunde genommen war das ein vernichtendes Urteil, dem
wohl kaum jemand widersprechen wird: Noch selten ist die Unzufriedenheit über
eine Regierung so groß gewesen wie bei der gegenwärtigen. Selbst die mächtigste
ÖVP-Funktionärin, die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna
Mikl-Leitner, hat unlängst bestätigt, dass eine klare Führung fehlt.
Zu lange haben Nehammer und Kogler die Folgen der Teuerung
unterschätzt, haben geglaubt, mit ein paar „Bonuszahlungen“ alles regeln und
sich irgendwie dahinwursteln zu können. Zu ihren größten Schwächen zählt
jedoch, dass sie nicht kommunizieren können. Politik heißt unter anderem,
möglichst viele Menschen zu überzeugen. Diese Fähigkeit ist notwendiger denn
je: Wer nicht überzeugt davon ist, dass aufgrund des Angriffskrieges gegen die
Ukraine Sanktionen gegen Russland notwendig sind, wird negative Auswirkungen für
sich selbst ablehnen. Werden diese Auswirkungen schmerzlich, wird er
revoltieren. Tun das viele, entsteht eine Massenbewegung daraus. Befeuert von
einer Partei wie der FPÖ, besteht in Österreich durchaus Potenzial für eine
solche.
Wie man vermittelt, was läuft, hat Van der Bellen in seiner
Rede bei den Festspielen gezeigt. Es sagte beispielsweise: „Wir leben in einer
Zeit, wo die Grundelemente unseres Lebens angegriffen werden. Der Friede in
Europa. Unsere Freiheit, unsere Demokratie, die Art wie wir leben wollen,
unsere Versorgungssicherheit, und die Sicherheit insgesamt. Warum ist plötzlich
alles unsicher, was über Jahrzehnte so sicher schien? Weil einige hundert
Kilometer östlich von hier ein Diktator sitzt, der es nicht ertragen kann, dass
Menschen in Europa in individueller Freiheit und Unabhängigkeit leben. Der vom
verweichlichten, dekadenten Westen redet, der unsere Art zu leben, zutiefst
verachtet. Weil er nicht erträgt, dass wir in einer Gesellschaft leben wollen,
in der jeder Mensch gleich viel wert ist. Das ist die Wahrheit und das ist der
Kern der Sache. Weil der russische Präsident das nicht erträgt, hat er einen
Krieg begonnen.“
Das macht deutlich, dass es hier nicht nur um einen Krieg
Russlands gegen die Ukraine, sondern den gesamten Westen geht, zu dem auch
Österreich gehört. Das bedeutet, dass man dagegenhalten muss. Zumindest durch
Sanktionen etwa. Nehammer schafft es nicht, das verständlich zu machen. Van der
Bellen kann es. Damit gelingt es ihm viel eher, Verständnis für die Sanktionen
aufzubauen. Zumal er auch empathisch sein kann. Was zu den Folgen überleitet
und Betroffenen zunächst immerhin das Gefühl vermittelt, endlich wahrgenommen
zu werden: „Hunderttausende Menschen in unserem Land haben Angst und sind am
Rande der Verzweiflung“, sagte Van der Bellen: „Alleinerziehende Mütter und
Mindestpensionisten, aber genauso Menschen, die bislang keine gröberen
Geldsorgen hatten.“ Ihnen muss geholfen werden.
Die Antwort kann nicht sein, an den Sanktionen zu rütteln,
wie es ÖVP-Wirtschaftsmann Harald Mahrer und FPÖ-Chef Herbert Kickl tun, es
gehört vielmehr ein nationaler Schulterschluss zur Verhinderung von Massenarmut
her. Österreich könnte das zusammenbringen. Es fehlt „nur“ eine Regierung, die
kann und will; und zwar reden wie tun.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe
zur Politik