Der Rückzug des britischen Premierminister Boris Johnson zeichnet sich am Donnerstag ab.
Nach einer offenen Revolte gegen ihn tritt Johnson laut Medienberichten noch am Donnerstag als Parteichef der Konservativen zurück. Er wolle aber bis Herbst Regierungschef bleiben, meldete der britische Sender BBC. Ein Regierungssprecher kündigte noch für Donnerstag eine Ansprache des Premiers an die Nation an. Laut Sky News soll diese voraussichtlich um 13.30 Uhr (MESZ) erfolgen.
Britischer Premier Boris Johnson offenbar vor Rücktritt
Johnson besetzte kurz vor seinem erwarteten Rücktritt am
Donnerstag mehrere Kabinettsposten neu. Mehrere Minister sind in den
vergangenen Tagen aus Protest gegen Johnsons Führungsstil zurückgetreten
und riefen den Premier ebenfalls zum Rückzug auf. Noch am Mittwoch gab
sich Johnson kämpferisch, am Donnerstag wurde der Druck aber zu hoch.
Fraglich ist nun, ob er bis nach der Wahl eines Nachfolgers noch als
Premierminister im Amt bleibt. Berichten zufolge regt sich dagegen in
seiner Partei Widerstand.
Johnson könnte mit Neubesetzung als Übergangspremier verbleiben
Als möglich gilt, dass Johnson mit den
Neubesetzungen versuchen will, seinen Verbleib als Übergangspremier zu
sichern. Seine langjährigen Vertrauten James Cleverly und Rit Malthouse
beauftragte er mit der Leitung des Bildungsministeriums beziehungsweise
der zentralen Regierungsbehörde Cabinet Office. Den früheren
Wirtschaftsminister Greg Clark, einen Brexit-Gegner, ernannte er zum
Minister für "Levelling Up", also Angleichung der Lebensverhältnisse.
Der ehemalige Justizminister Robert Buckland, den Johnson erst im
September 2021 feuerte, ist nun Staatsminister für Wales. Weitere
Ernennungen wurden erwartet.
Labour Party drängt auf sofortigen Abgang Johnsons
Die oppositionelle Labour Party
dringt unterdessen auf einen sofortigen Abgang Johnsons und droht
andernfalls mit einem Misstrauensvotum im Parlament. Sollten die Tories
den 58-Jährigen nicht umgehend fallenlassen, werde es ein
Vertrauensabstimmung über die konservative Regierung geben, erklärte
Labour-Chef Keir Starmer. "Seine eigene Partei ist endlich zu dem
Schluss gekommen, dass er als Premierminister ungeeignet ist", so
Starmer. "Wenn sie ihn nicht loswerden, wird die Labour Party im
nationalen Interesse ein Misstrauensvotum einbringen, denn wir können
nicht noch monatelang mit diesem Premierminister weitermachen, der sich
an die Macht klammert."
Johnson ist als Chef der Konservativen seit 2019 Premier
Johnson war 2019 Chef der Konservativen
und damit Premierminister geworden. Die anfängliche Popularität des
ehemaligen Journalisten und Bürgermeisters von London wurde jedoch bald
geschmälert durch Kritik an seinem betont kämpferischen und von Gegnern
oft als chaotisch empfundenen Regierungsstil. Immer wieder wurden
Rücktrittsforderungen laut. Das Fass zum Überlaufen brachte zuletzt sein
Umgang mit der Affäre um einen konservativen Abgeordneten, dem
sexuelles Fehlverhalten vorgeworfen wird. Johnson hatte sich im
Fernsehen dafür entschuldigt, dass die Öffentlichkeit über seinen
Wissensstand in dem Fall falsch informiert worden sei.
Affäre gehörte zu einer langen Reihe von Skandalen
Die Affäre gehört zu einer langen Reihe von Skandalen und Fehltritten, die im Falle von Partys während des Corona-Lockdowns
für Johnson zu einer Geldstrafe und einem Misstrauensantrag seiner
eigenen Fraktion führten. Die Vertrauensabstimmung überstand Johnson
Anfang Juni. Am Mittwoch wurde unter den Konservativen über Wege
diskutiert, ein nun eigentlich vorerst ausgeschlossenes Misstrauensvotum
doch einleiten zu können.
Der britische Verteidigungsminister Ben
Wallace ist einer Umfrage zufolge innerhalb der Konservativen Partei
unterdessen Favorit für eine Nachfolge Johnsons an der Spitze der
Tories. Das teilte das Meinungsforschungsinstitut YouGov am Donnerstag
mit.