GASTKOMMENTAR VON JOHANNES HUBER. Dass Michael Ludwig auf einen „falschen“ Klitschko hereingefallen ist, ist peinlich. Die Versuche, das hinterher politisch auszuschlachten, sind jedoch vollkommen daneben.
Es spricht gegen den Wiener
Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), dass er zum Beispiel im Unterschied
zu seiner Berliner Amtskollegin Franziska Giffey (SPD) bei dem Videocall
mit einem Mann, der sich als Vitali Klitschko ausgab und auch so
aussah wie dieser, nicht zu zweifeln begann und das Gespräch irgendwann
abbrach, sondern dranblieb. Auch Ludwigs Berater, Mitarbeiter und
Experten müssen sich die Frage stellen lassen, wie sie auf diesen Betrug
hereinfallen konnten. Dass laut dem „Kontraste“-Magazin
des deutschen Fernsehsenders ARD russische Komiker ohne politische
Absicht dahintersteckten, macht die Sache nicht besser. Es hätten
genauso gut Geheimdienstangehörige sein können, die das letzten Endes
für Erpressungsversuche, Propagandazwecke oder ähnliches
ausschlachten.
Das Ganze scheint noch einmal
glimpflich ausgegangen zu sein, muss Ludwig aber wirklich eine Lehre
sein: Als Kommunalpolitiker ist doppelte Vorsicht angesagt, wenn man
sich in die große Weltpolitik begeben und sich dort auch noch mit dem
Vertreter einer Kriegspartei austauschen möchte.
Spott und Häme sind dem Wiener
Bürgermeister gewiss. „Großer Erfolg: Michael Ludwig lädt US-Präsident
Joe Beidl nach Wien ein“, titelte die satirische „Tagespresse“. Auf dem
Bild zum Text zu sehen ist ein älterer Herr mit weißen Haaren,
der eigentlich keine Ähnlichkeiten mit Joe Biden, dem 46. Präsidenten
der Vereinigten Staaten, aufweist. Das ist lustig.
Gar nicht sind es Versuche, die
Geschichte innenpolitisch einzusetzen. Der nicht amtsführende Stadtrat
Dominik Nepp (FPÖ) spielt wenigstens nur eine Nebenrolle. Seine
Behauptung, jetzt habe Ludwig „sein eigenes Ibiza erlebt“, ist jedoch
vollkommen daneben: Hat Ludwig in dem Videocall darüber gesprochen, wie
man eine Zeitung kaufen könnte? Oder Korruption in Aussicht gestellt?
Zack, zack, zack? Also.
Wirklich schlimm ist, dass das
Außenamt zunächst behauptete, von Ludwig vorab nicht übers Gespräch
informiert worden zu sein. Oder Innenminister Gerhard Karner (ÖVP)
Ludwig öffentlich aufforderte, zur Aufklärung mit dem Staatsschutz
zusammenarbeiten.
Das lässt tief blicken, gehen doch schwerwiegende Unterstellungen damit
einher: Ludwig habe sich mit niemandem abgesprochen und wolle hinterher
vertuschen. Beides wären potenzielle Rücktrittsgründe. Doch das
Außenministerium musste schließlich korrigieren,
dass die österreichische Botschaft in Kiew über das Telefonat sehr wohl
in Kenntnis gesetzt worden war.
Während nicht weit entfernt von
Wien ein Krieg tobt, der ganz Europa in Unsicherheit stürzt, versteckt
man sich hierzulande nicht nur hinter der Neutralität und hofft, dass
alles gut ausgeht. Man betreibt auch noch billige Innenpolitik,
versucht einander anzupatzen und zu diskreditieren. Das ist einfach nur
beschämend.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik