Für Bundeskanzler Karl Nehammer ist ein NATO-Beitritt Österreichs weiterhin kein Thema. Österreich sei und bleibe neutral, aber auch ein verlässlicher Partner in Fragen der Sicherheitspolitik.
Zwar gebe es eine neue Qualität der Kooperation neutraler oder bündnisfreier Staaten wie Österreich mit der westlichen Verteidigungsallianz, doch stelle eine Mitgliedschaft keine "Variante des Denkens" dar. Das formulierte Nehammer am Mittwoch am Rande des NATO-Gipfel in Madrid.
Österreich könne sich auch als neutrales Land solidarisch zeigen
Der Bundeskanzler erinnerte daran, dass Österreich bereits jetzt mit rund 400 Soldaten bei EU-Friedensmissionen sowie mit 300 bei derartigen NATO-Einsätzen und 200 bei UNO-Missionen aktiv sei. Österreich könne sich auch als neutrales Land solidarisch zeigen und beispielsweise als Vermittler auftreten.
Dass es am Mittwochabend zu einem von Spaniens Premierminister Pedro Sánchez (Sozialisten/PSOE) initiierten "Euroatlantischen Abendessen" komme, zu dem neben Vertretern der NATO-Länder auch bündnisfreie EU-Staaten geladen seien, interpretierte Nehammer als eine "neue Qualität" der Beziehungen und möglicherweise sogar "Zeitenwende" der Kooperation. Dies sei wohl auch auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen.
NATO startet Aufnahmeverfahren für Schweden und Finnland
Nach dem NATO nun angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Aufnahmeverfahren für Schweden und Finnland gestartet habe, komme seinem während des kurzen Madrid-Aufenhalts geplanten Treffen mit Irlands Premier Micheál Martin eine besondere Bedeutung zu, meinte Nehammer. Schließlich seien nunmehr in der EU nur noch Österreich, Zypern, Malta und eben die Republik Irland keine NATO-Mitglieder.
Nehammer trifft Klitschko und Erdogan
Weiters stand für den Bundeskanzler
am Mittwoch noch Treffen mit Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko und
Türkeis Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf dem Programm. Mit Klitschko
wollte sich Nehammer abstimmen, welche Hilfen die ukrainische
Hauptstadt aus Österreich aktuell brauchen könnte. Angesprochen dürfte
vor allem die Lieferung weiterer Lösch- und Rettungsfahrzeugen werden.
Das
Meeting mit Erdogan sah Nehammer als "Beginn eines entspannteren
Verhältnisses" mit dem autokratischen Präsidenten der Türkei. Das könnte
dazu führen, dass Ankara künftig nicht mehr die militärische
Zusammenarbeit mit Österreich in der Partnerschaft für den Frieden (PfP)
blockieren. Konkret gehe es aber auch darum, den Istanbuler
Friedensprozess zu fördern. Dies sei aktuell die einzige Plattform, wo
die Kriegsparteien Russland und die Ukraine tatsächlich mit einander
reden würden.
Konkret gehe es vor allem darum, dass mit Hilfe der
Türkei "grüne Korridore" zum Export von Mais, Weizen oder Getreide aus
der Ukraine geschaffen werden könnte. Es handle sich immerhin um Mengen
in der Größenordnung von 90 Millionen Tonnen, die etwa in Afrika
dringend benötigt würden, erinnerte Nehammer. So sei die Ukraine bereit,
den Hafen von Odessa von Minen zu räumen, um Exporte zu ermöglichen.
Aber nur, wenn Russland garantiere, dies nicht für eine Eroberung der
Hafenstadt am Schwarzen Meer zu nutzen. Die von beiden Seiten als
Partner akzeptierte Türkei könnte diese Sicherheitsgarantieren
überwachen und auch umsetzen.
Er habe in den vergangenen Woche Gespräche - wie etwa auch die Regierungschefs von Frankreich oder Deutschland - Gespräche mit alles Seiten geführt, meinte Nehammer. Es handle sich dabei um "Puzzlesteine zum Aufbau einer Dialogbrücke", formulierte der Bundeskanzler. Er sei aber nicht so naiv oder selbstüberschätzend, dass ein einziger Meinungsaustausch eine solche Krise lösen könne. "Aber alles ist besser, als gar nichts zu tun", meinte Nehammer, dessen Rückflug nach Wien noch für die Nacht auf Donnerstag geplant war.