An Tag zwei des G7-Gipfels auf Schloss Elmau in Bayern will der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Staats- und Regierungschefs der großen Industrieländer ins Gewissen reden.
Der 44-jährige Selenskyj soll am Montag-Vormittag per Video zu den Beratungen zugeschaltet werden. Bereits am Wochenende hatte er erneut mehr Militärhilfe für sein Land gefordert. Bei den G7 kündigte sich mit einem Importverbot für russisches Gold zudem eine Verschärfung der Sanktionen an.
Selenskyj fordert erneut Waffenlieferungen für Ukraine
Selenskyj
sieht die Ukraine in einer schwierigen Phase des Krieges. Erstmals seit
drei Wochen wurde die Hauptstadt Kiew am Wochenende wieder mit Raketen
beschossen. Außerdem gelang es Russland nach wochenlangem Kampf, die
Großstadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine unter Kontrolle zu bringen.
"Wir brauchen eine schlagkräftige Luftverteidigung - modern, voll wirksam", sagte er in der Nacht zum Montag in seiner täglichen Videoansprache. Jede Verzögerung von Waffenlieferungen an die Ukraine sei eine Einladung an Russland, weiter zuzuschlagen, meinte Selenskyj. Die G7-Länder, zu denen Deutschland, die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan zählen, verfügten gemeinsam über so viel Potenzial, "um die russische Aggression gegen die Ukraine und Europa zu stoppen" sagte Selenskyj.
G7-Gipfel zeigt Geschlossenheit gegen Putin
Am ersten Gipfeltag hatten die G7-Staaten bereits ihre Geschlossenheit im Kampf gegen Putins Krieg betont. "Uns eint der Blick auf die Welt, uns eint auch der
Glaube an die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit", betonte
Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz. Es sei wichtig, entschlossen und
geschlossen zu handeln.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte am Abend in TV-Interviews, dass die Runde fest entschlossen sei, die Ukraine so lange zu unterstützen, wie es nötig sei. "Denn das ist hier eine Frage, die uns alle in den Demokratien angeht. Die Autokraten dieser Welt beobachten sehr genau, was geschieht - und umso wichtiger ist es, dass wir als Demokratien die tapfere Ukraine unterstützen", sagte sie den ARD-"Tagesthemen". Von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel nehmen als Vertreter der Europäischen Union ebenfalls an allen drei Tagen am G7-Gipfel teil.
Von der Leyen gegen Boykott des G20-Gipfels mit Putin
Von der Leyen sprach sich zudem gegen einen Boykott des G20-Gipfels im Herbst aus, auch wenn Russlands Präsident Wladimir Putin am nächsten Treffen teilnehmen sollte. Der nächste G20-Gipfel findet Mitte November auf der indonesischen Insel Bali statt. "Meines Erachtens ist G20 zu wichtig, auch für die Entwicklungsländer, die Schwellenländer, als dass wir uns dieses Gremium kaputt machen lassen sollten auch wieder von Putin." Es sei wichtig, Putin "ins Gesicht zu sagen, was wir von ihm halten und was wir von dieser Art des Handelns halten", meinte von der Leyen mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Eines ist ganz klar: Es wird kein "business as usual" geben, also nicht Normalität."
Trotz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sprach sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz für einen Erhalt der G20 aus, der auch Russlands Präsident Wladimir Putin angehört. "Eins ist klar: Die G20 müssen auch weiter eine Rolle spielen", sagte der SPD-Politiker am Montag im ZDF-"Morgenmagazin", zu dem er vom G7-Gipfel auf Schloss Elmau zugeschaltet wurde. Die Frage, ob er sich dort mit Putin an einen Tisch setzen werde, beantwortete Scholz nicht klar. Er verwies darauf, dass auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von den indonesischen Gastgebern zu dem Gipfel eingeladen worden sei und sagte: "Wir werden am Ende die Entscheidung kurz vor der Abreise treffen müssen, weil ja die Weltläufe sich bis dahin sehr erheblich verändern können."
G7 posiert vor legendärer Holzbank
Für Gesprächsstoff sorgte am Sonntagabend ein Bild an
einer weltbekannten Holzbank: Die neun Gipfelteilnehmer posierten an
eben jener Bank, an der beim G7-Gipfel 2015 ein ikonisches Foto entstand. Vor sieben Jahren saß dort der damalige US-Präsident Barack Obama, die Arme ausgebreitet auf der Lehne, während die deutsche Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihn einredete.
Dieses Mal stellten sich die Gipfelteilnehmer in einer Reihe hinter der Bank auf, einige legten fast freundschaftlich die Arme über die Schultern des Nebenmannes, die Stimmung wirkte gelöst. Vor dem Fototermin fand eine Arbeitssitzung statt, bei der es um Außen- und Sicherheitspolitik und damit auch um den Krieg in der Ukraine gehen sollte.
Beratungen über Klima- und Hungerkrise auf G7-Gipfel
Am
Montag will Gastgeber Scholz nach dem Gespräch mit Selenskyj den
Beratungskreis erneut erweitern: Die Staats- und Regierungschefs der
Gastländer Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinien
sollen ab Mittag mit am Tisch sitzen. Die größere Runde will über die
Klimakrise und über Gesundheit diskutieren. Scholz strebt einen
internationalen Klimaclub mit den G7-Staaten als Kern an. In diesem soll
die internationale Klimapolitik stärker abgestimmt werden, um zu
verhindern, dass Wettbewerbsnachteile für Länder entstehen, die sich an
strengere Vorgaben halten.
Drängendes Thema des erweiterten
G7-Kreises dürften aber vor allem die wegen des Ukraine-Kriegs drohenden
Hungersnöte sein. Laut dem Welternährungsprogramm stehen 50 Millionen
Menschen weltweit kurz vor einer Hungersnot. Als katastrophal schätzt
die UN-Organisation die Lage in Äthiopien, Nigeria, dem Südsudan, dem
Jemen, Afghanistan und Somalia ein. 750.000 Menschen in besonders
betroffenen Ländern droht demnach der Hungertod.
Ausgerechnet
die Ukraine und Russland sind die größten Weizen-Exporteure weltweit.
Normalerweise decken sie knapp ein Drittel des globalen Bedarfs - weil
Russland die ukrainischen Häfen blockiert, kann viel Getreide aber nicht
exportiert werden. Zu den Beratungen über die weltweite
Nahrungssicherheit soll auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres
zugeschaltet werden.
Der Gipfel der sieben wichtigen demokratischen Industriestaaten hat am Sonntagmittag begonnen und dauert noch bis Dienstag. Zur Gruppe der Sieben gehören neben Deutschland die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan.