Russland ändert offenbar seine Kriegstaktik und hat wieder die Millionenstadt Charkiw im Norden der Ukraine ins Visier genommen. Zudem könnten ukrainische Streitkräft in den Städten Lyssytschansk und Sjewjerodonezk eingeschlossen werden.
"Russische Kräfte gehen gegen die Stadt Charkiw in der Art vor, wie sie gegen Mariupol vorgegangen sind - mit dem Ziel, die Bevölkerung zu terrorisieren", sagte der ukrainische Präsidentenberater Oleksij Arestowitsch. "Und wenn sie das weiter tun, werden wir reagieren müssen - etwa indem wir unsere Artillerie bewegen müssen", führte er aus. "Die Idee ist, ein großes Problem zu schaffen, um uns abzulenken und Truppen zu verlegen, Ich denke, es wird eine Eskalation geben."
Russische Truppen feuerten am Mittwoch zahlreiche Raketen auf die Stadt und deren Umgebung. Dabei wurden nach ukrainischen Angaben mindestens 15 Menschen getötet. Kiew äußerte den Verdacht, dass die Russen ukrainische Kräfte dort binden wollten, um sie von der tobenden Hauptschlacht im Donbass um die Stadt Sjewjerodonezk im Osten abzulenken.
Der Staatsanwalt von Charkiw,
Michailo Martosch, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die russischen
Streitkräfte hätten offensichtlich Mehrfachraketenwerfer eingesetzt.
Seit Dienstag toben schwerste Angriffe auf die Millionenstadt. Erst
vergangenen Monat hatten die ukrainischen Truppen die russischen
Streitkräfte aus der Region zurückgedrängt.
Zu den Todesopfern in Charkiw zählte auch eine 85-Jährige. "Ein Kind des Krieges", sagte ihr Enkel mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg. "Sie überlebte einen Krieg, aber durch diesen hat sie es nicht geschafft."
Präsidentenberater Arestowitsch äußerte auch die Sorge, dass die russischen Streitkräfte nach der Einnahme der Ortschaft Metjolkine die Städte Lyssytschansk und Sjewjerodonezk von den ukrainisch kontrollierten Gebieten abschneiden könnten. "Die Gefahr eines taktischen russischen Sieges ist gegeben, aber sie haben es noch nicht geschafft", sagte er in einem online veröffentlichten Video.
In der russischen Region Rostow an der Südwestgrenze zur Ukraine wurde unterdessen eine Ölraffinerie angegriffen. Niemand sei verletzt worden, hieß es. Die russische Nachrichtenagentur Tass meldete, eine ukrainische Drohne sei vor Ausbruch eines Brandes in den Wärmetauscher-Block der Raffinerie in der Stadt Nowoschachtinsk gestürzt. Insgesamt seien zwei ukrainische Drohnen über der Anlage gesichtet worden, die zweite sei weggeflogen. Laut der Nachrichtenagentur Interfax konnte das Feuer gelöscht werden.