Österreich und elf weitere mittelosteuropäische Staaten haben die Ukraine bei dem Präsidentengipfel in Riga als Mitglied in die Drei-Meere-Initiative aufgenommen.
Wie aus Diplomatenkreisen gegenüber der APA verlautete, erfolgte der Beschluss einstimmig auf Vorschlag Polens. "Ich glaube, es ist eine gute Initiative. Die Ukraine braucht Unterstützung auf allen Linien", betonte Bundespräsident Alexander Van der Bellen gegenüber der APA.
Selenskyj wandte sich an die Teilnehmer des Treffens in Riga
Zum Auftakt des Treffens hatte sich
der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Video an die
Teilnehmer gewandt. Selenskyj äußerte dabei Interesse, sich der nach
Ostsee, Schwarzem Meer und Adria benannten Initiative anzuschließen. Die
Aufnahme folgte überraschend, war doch eigentlich nur der Status eines
Partnerlandes vorgesehen gewesen wie ihn etwa Deutschland hat.
Ukraine als Mitglied der Drei-Meere-Initiative
"Die
Staaten der Drei-Meere-Initiative verbinden uns mit dem Rest der Welt",
sagte Selenskyj in seiner live gehaltenen Rede. Umgekehrt könne das
ukrainische Netzwerk an Gaspipelines "die Bedürfnisse aller Staaten der
Drei-Meere-Initiative befriedigen". Außerdem könne die Ukraine zur
Verkehrsdrehscheibe für die vom Baltikum bis ans Schwarze Meer und die
Adria reichende Region werden, hob Selenskyj etwa die Eisenbahnlinie
zwischen Warschau und Kiew oder die Nord-Süd-Autobahn "Via Carpathia"
hervor.
Van der Bellen nannte Drei-Meere-Initiative "bemerkenswerten Erfolg"
Van der Bellen würdigte die Drei-Meere-Initiative in seiner Rede als "bemerkenswerten Erfolg" und "Beispiel, wie wir alle zusammenarbeiten sollten". Der Bundespräsident betonte, dass man angesichts des Kriegs nicht auf den Kampf gegen den Klimawandel vergessen dürfe und unterstrich die Unterstützung der Ukraine. "Ukrainer, wir sind bei euch. Die Österreicher stehen euch bei, die Europäer stehen euch bei. Ihr seid Teil der Europäischen Familie."
Van der Bellen bezeichnete die Aufnahme der Ukraine in die Initiative als "Parallelaktion" zur geplanten Erteilung des EU-Beitrittskandidatenstatus. Die Ukraine brauche "Signale der Zusammengehörigkeit zu Europa", unterstrich der Bundespräsident im APA-Gespräch. Er selbst sei in Riga, weil es "immer spannend" sei mit einer größeren Zahl von Amtskollegen Kontakt zu haben, "zu sehen, wie die Stimmung ist, welche Interessen artikuliert werden".
Laut Van der Bellen will Österreich die Gemeinsamkeit aufrechterhalten
"Österreich
hat stärkstes Interesse daran, die Gemeinsamkeit in der Lösung der
anstehenden Fragen aufrechtzuerhalten", sagte Van der Bellen. Er zog
diesbezüglich einen Vergleich zur Pandemie, wo die EU-Staaten etwa auch
Impfstoffe gemeinsam besorgt hätten. "Jetzt stehen wir vor ähnlichen
Fragen in allen Fragen der Energieversorgung, des Ausstiegs aus dem
russischen Öl und dem russischen Gas." Gerade weil sich einige Staaten
leichter beim Ausstieg tun als andere, sei es "wichtig zu schauen,
welche gemeinsamen Linien wir hier fahren können". Schon im Vorfeld des
Gipfels hatte er betont, dass sich die Staaten der Initiative "nicht
auseinanderdividieren" lassen dürfen.
Drei-Meere-Initiative wurde 2014 gegründet
Die Initiative war nach der
Krim-Annexion im Jahr 2014 gegründet worden, um die Abhängigkeit der
Region von Russland im Verkehrs- und Energiebereich zu verringern.
Konkret sollte dies etwa durch den Bau von Flüssiggasterminals in Polen
und Kroatien geschehen. Damals wurde die Initiative insbesondere als
gegen die von Deutschland und Russland betriebene Ostsee-Pipeline "Nord
Stream 2" gerichtet angesehen. US-Außenminister Antony Blinken sagte in
einer Videobotschaft beim Gipfel, der Ukraine-Krieg habe aus den Zielen
der Initiative "eine Notwendigkeit" gemacht. Wegen des Ölembargos gegen
Russland müssten die Energielieferungen diversifiziert werden, bessere
Straßen seien für NATO-Truppenverlegungen, aber auch für Getreideexporte
aus der Ukraine erforderlich.
Van der Bellen versteht die Sorgen der Länder
Van der Bellen sagte auf die Frage,
ob die USA und ihre osteuropäischen Partner in Sachen des russischen
Machthabers Wladimir Putin hellsichtiger gewesen seien als etwa
Deutschland und Österreich: "Ich gehörte selbst zu den Personen, die
angesichts der auch historischen Beziehungen zwischen Russland und
Österreich das schlicht nicht für möglich gehalten haben, diesen
Aggressionskrieg." Er verstehe auch "die tief sitzenden Sorgen aller
drei Länder des Baltikums, aber auch von Finnland und Schweden, dass die
Aggression nicht in der Ukraine stoppt, sondern wenn wir dem nicht
Einhalt gebieten, auch andere Länder erfassen können", sagte er.
Auch Finnland war Teil des russischen Zarenreiches
Auch
Finnland sei Teil des russischen Zarenreiches gewesen, "und wenn man
die Aussagen und Artikel von Putin liest, die er in den letzten zwölf
Monaten von sich gegeben hat, kann man schon den Eindruck gewinnen, er
will das Zarenreich von vor dem Ersten Weltkrieg wieder aufbauen. Das
sind alles gute Gründe, um ernsthaft besorgt zu sein." Österreich sei
aber alleine aufgrund der Geografie "in einer privilegierten Situation,
und Geografie lässt sich nicht ändern", fügte der Bundespräsident hinzu.
Van der Bellen führte Gespräche mit weiteren Präsidenten
Van
der Bellen führte nach dem offiziellen Teil des Gipfels auch bilaterale
Gespräche mit dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier
und den Präsidenten Polens (Andrzej Duda), Estlands (Alar Karis) und
Bulgariens (Rumen Radew). Darüber hinaus sollte es auch kurze Treffen
mit dem lettischen Gastgeber Egils Levits, sowie möglicherweise den
anderen anwesenden Präsidenten aus Litauen, Rumänien, Slowenien und
Ungarn geben, hieß es aus der Präsidentschaftskanzlei.
Klaus Johannis als nächster Gastgeber des Gipfels
Der Initiative gehören die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, die Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn, die Schwarzmeer-Staaten Rumänien und Bulgarien, die Adria-Staaten Slowenien und Kroatien sowie Österreich als einziger Nicht-NATO-Staat an. Gastgeber des Gipfels im kommenden Jahr wird der rumänische Präsident Klaus Johannis sein, für das übernächste Jahr hat sich die neue ungarische Präsidentin Katalin Novak gemeldet.