Jetzt ist es offiziell: Die EU-Kommission empfiehlt den offiziellen Beitrittskandidatenstatus für die Ukraine und Moldau.
Georgien soll dagegen nur eine "europäische Perspektive" von der EU
versichert erhalten. Dies teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von
der Leyen am Freitag in Brüssel mit. Die Behörde legt damit die
Grundlage für einen möglichen Beschluss der EU-Mitgliedstaaten. Der
EU-Gipfel Ende kommender Woche soll diesbezüglich Entscheidungen
treffen.
Der gesamte Prozess gehe auf den Verdienst der Ukraine zurück, sagte von der Leyen. Zwar wolle die EU alles tun, um der Ukraine
in der aktuellen Situation zu helfen, die Entscheidung für den
Kandidatenstatus und die Perspektive sei aber unabhängig vom Krieg.
EU-Kommission empfiehlt für Ukraine und Moldau Kandidatenstatus
Das Präsidialamt in Kiew teilte mit, die Ukraine
sei "dankbar", dass die EU-Kommission vorschlage, dem Land den
EU-Beitrittskandidatenstatus zu verleihen. Dies berichtete die
Nachrichtenagentur Reuters kurz nach der Stellungnahme der
EU-Kommission. Nun werde erwartet, dass die EU-Staats- und
Regierungschefs dem zustimmen, erklärte das Büro des ukrainischen
Präsidenten Wolodymyr Selenskyj demnach.
Russische Fürhung beobachtet Ukraines Bemühungen um EU-Beitritt
Von der russischen Führung werden die Bemühungen der Ukraine
um einen Beitritt zur EU nach eigenen Angaben genau beobachtet. Das
Thema "bedarf unserer erhöhten Aufmerksamkeit, weil wir uns alle der
Intensivierung der Diskussionen in Europa über die Stärkung der
Verteidigungskomponente in der EU bewusst sind", sagt der russische
Präsidialamtssprecher, Dmitri Peskow, vor der Presse.
Österreich will EU-Beitrittstatus der Ukraine nur unter Bedingungen zustimmen
Österreich will dem EU-Beitrittskandidatenstatus der Ukraine
nur unter Bedingungen zustimmen. "Wir müssen sicherstellen, dass
dieselben Maßstäbe angewandt werden wie auch bei anderen
Beitrittswerbern aus dem Westbalkan. Vor diesem Hintergrund wäre es für
mich etwa nicht vorstellbar, der Ukraine
einen Kandidatenstatus zu gewähren und zugleich Länder wie
Bosnien-Herzegowina weiterhin außen vor zu halten", sagte Bundeskanzler
Karl Nehammer (ÖVP) zur deutschen Zeitung "Welt". Bosnien-Herzegowina
hatte bereits Anfang 2016 einen Beitrittsantrag gestellt und gilt seit
Jahren lediglich als "potenzieller Beitrittskandidat".
Ukraine hat mehr als 40 Millionen Bürger
Die mehr als 40 Millionen Bürger zählende Ukraine
hatte vor rund dreieinhalb Monaten kurz nach Beginn des russischen
Angriffs gegen sie die Aufnahme in die EU beantragt. Kurz darauf
reichten auch der kleine Nachbar Moldau sowie das im Südosten Europas
gelegene Georgien Beitrittsanträge ein. Moldau hatte zuletzt rund 2,6
Millionen Einwohner, Georgien rund 3,7 Millionen.
EU-Beitrittskandidatenstatus für Ukraine und Moldau vorgeschlagen
Das nun von der EU-Kommission vorgeschlagene Vorgehen sieht vor, der Ukraine
und Moldau den Status als EU-Beitrittskandidaten zu geben. Zugleich
sollten nach Ansicht der Behörde weitere Fortschritte im
Beitrittsprozess an konkrete Bedingungen geknüpft werden. In beiden
Ländern gibt es unter anderem Defizite im Bereich der
Rechtsstaatlichkeit und im Kampf gegen Korruption.
Ukraine rückte bereits in letzten Jahren näher an EU heran
Bereits in den letzten Jahren sei die Ukraine
immer näher an die EU gerückt und Partner bei wichtigen Projekten wie
Erasmus, lobte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen am Freitag. Die Ukraine
habe eine gut funktionierende Verwaltung, ein faires und freies
Wahlsystem und ein gut entwickeltes Bildungssystem und ist am Weg zu
einer gut funktionierenden Marktwirtschaft. Gleichzeitig sei aber noch
viel zu tun, etwa bei der Wahl von Höchstrichtern und Staatsanwälten.
"Ja, die Ukraine verdient die EU-Perspektive und den Kandidatenstatus, alles weitere hängt von der Entwicklung der Ukraine ab. Und was ist besser als seine eigene Zukunft zu formen?", so die Kommissionspräsidentin.
Ähnlich ist die Situation in Moldau
Ähnlich
sei die Situation in Moldau. Moldau müsse sich auf die Verbesserung der
Verwaltung und der Justiz konzentrieren, gegen organisierte
Kriminalität vorgehen und die Wahrung der Grundrechte sichern, sagte von
der Leyen.
Georgien habe dieselben Ziele, brauche aber noch
größere Reformen, etwa im Justizsystem. Die Kommission empfiehlt daher
eine "europäische Perspektive" und zum aktuellen Zeitpunkt keinen
Beitrittskandidatenstatus. Das Land würde demnach wie derzeit
Bosnien-Herzegowina und das Kosovo vorerst nur ein potenzieller
EU-Beitrittskandidat sein.
EU-Staaten müssen kommende Woche über Empfehlung entscheiden
Auf Grundlage der Empfehlung der
Kommission müssen die EU-Staaten kommende Woche entscheiden, wie es
weitergeht. Die Ansichten der Regierungen zum Thema gehen bisher weit
auseinander. So halten Länder wie Portugal und die Niederlande die
Vergabe des Kandidatenstatus an die drei Staaten im östlichen Europa
nach Angaben von Diplomaten für verfrüht und rein symbolisch.
Ein
weiteres Argument von Skeptikern ist, dass die EU mit ihrem Prinzip der
Einstimmigkeit etwa in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik schon
jetzt als schwerfällig gilt. Sie mahnen zunächst interne Reformen an,
ehe neuen Mitgliedern die Tür geöffnet wird.
Scholz und Macron sprachen sich für Ukraine als Beitrittskandidat aus
Der deutsche
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron sprachen sich dagegen am Donnerstag in Kiew dafür aus, dass die Ukraine
Beitrittskandidat wird. Deutschland und Frankreich argumentieren, dass
der Kandidatenstatus die Aufnahmeentscheidung nicht vorwegnimmt und auch
nicht mit einem Zeitrahmen verbunden ist. Die Türkei ist beispielsweise
schon seit 1999 Beitrittskandidat.