Die Kämpfe um die Großstadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine dauerten auch am Sonntag weiter an. Die Lage dort sei die Schlimmste im ganzen Land, sagte der Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj.
Aber auch in der Westukraine wurden nach Angaben der Regionalregierung die Stadt Tschortkiw sowie ein Waffendepot in der Region Ternopil mit Raketen beschossen. Russland bereitet sich unterdessen laut dem ukrainischen Geheimdienst auf einen längeren Krieg vor.
Sjewjerodonezk in der Ukraine ist weiter Zentrum schwerster Kämpfe
Viele Ortschaften in
der Region um Sjewjerodonezk (Sewerodonezk) stünden unter Feuer, sagte
Hajdaj. "Es ist unmöglich, den Beschuss zu zählen." Besonders schwierig
sei die Situation in dem Ort Toschkiwka südlich des Verwaltungszentrums.
Dort versuchten die russischen Angreifer eine Verteidigungslinie zu
durchbrechen. Teils hätten es die ukrainischen Streitkräfte geschafft,
den Feind aufzuhalten.
UKRAINE-CRISIS/SIEVIERODONETSK-COMMANDER
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Viele Ortschaften um Sjewjerodonezk stünden unter Feuer
In Sjewjerodonezk wurde die dem in Wien
lebenden ukrainischen Oligarchen Dmytro Firtasch gehörende Chemiefabrik
Azot beschossen, wie Hajdaj sagte. Zuvor hatten die prorussischen
Separatisten mitgeteilt, Zivilisten, die in den Bunkern der
Industrieanlage Schutz gesucht hatten, hätten das Werksgelände
verlassen.
Viele Menschen haben sich in Schutzbunker begeben
Hajdaj zufolge haben viele Menschen sich in
Schutzbunker begeben, weil russische Truppen gezielt Wohnviertel mit
schwerer Artillerie beschießen. "Wahrscheinlich wollen alle jetzt
fliehen, aber eine solche Möglichkeit gibt es aktuell nicht", sagte
Hajdaj.
Russische Truppen laut ukrainischen Angaben in Bachmut zurückgedrängt
Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs in Kiew sind
bei den anhaltend schweren Kämpfen im Donbass die russischen Truppen im
Bereich des wichtigen Verkehrsknotenpunkts Bachmut zurückgedrängt
worden. Es seien bis zu 150 Angreifer "vernichtet" worden. Von
unabhängiger Seite überprüfen ließen sich diese Angaben nicht.
Generalstab in Kiew meldet viele Kämpfe im Osten der Ukraine
Der
Generalstab in Kiew meldete eine Vielzahl von Kämpfen im Osten des
Landes, darunter besonders auch in der Region Slowjansk im Gebiet
Donezk. Immer wieder gebe es auch Luftangriffe gegen zivile
Infrastruktur, heiß es. Laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax
schossen russische Truppen auch drei ukrainische Kampfjets in der Nähe
von Donezk und Charkiw ab.
Großes Waffendepot in Ternopil durch russische Truppen zerstört
In Ternopil haben russische Truppen
laut einem Interfax-Bericht mit Kalibr-Lenkraketen ein großes
Waffendepot zerstört. In dem Lager hätten sich europäische und
amerikanische Waffen befunden, meldet die Nachrichtenagentur unter
Berufung auf das russische Verteidigungsministerium.
Anti-Kriegsprotest in Kiew
UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT
© ergei SUPINSKY / AFP
Vier Raketen trafen Tschortkiw in der Westukraine am Samstag
Das
westukrainische Tschortkiw ist nach Angaben der Regionalregierung am
Samstagabend von vier Raketen getroffen worden. Eine Militäreinrichtung
sei teilweise zerstört worden und es seien vier Wohngebäude beschädigt,
teilt der Gouverneur von Ternopil, Wolodymyr Trusch, am Sonntag weiter
mit. Es habe keine Toten gegeben, aber 22 Menschen seien ins Krankenhaus
gebracht worden, darunter ein zwölfjähriges Kind. Die Raketen seien vom
Schwarzen Meer aus abgefeuert worden.
Russisches Militär bereitet sich auf einen längeren Krieg vor
Das russische Militär
bereitet sich nach Einschätzung des ukrainischen Militärgeheimdienstes
auf einen längeren Krieg vor. Die Planung der russischen Streitkräfte
sei für 120 weitere Tage bis Oktober 2022 verlängert worden, berichteten
die Militärexperten des US-amerikanischen Institute for the Study of
the War (ISW) am Samstag (Ortszeit) unter Berufung auf Informationen von
Geheimdienst-Vizedirektor Wadym Skibizkij. Das russische Militär werde
seine Pläne abhängig vom Erfolg im Donbas aber weiter anpassen, dies
geschehe nahezu monatlich.
Die Informationen deuteten nach
Einschätzung des ISW darauf hin, dass der Kreml nicht daran glaubt,
seine Ziele in der Ukraine schnell erreichen zu können. Es handele sich
um einen Versuch des russischen Militärs, anfängliche Mängel der
Offensive zu korrigieren.
Russische Streitkräfte würden über weitere 40 Kampfbataillone verfügen
Skibizkij sagte zudem, dass die
russischen Streitkräfte über weitere 40 Kampfbataillone verfügten. 103
Bataillone seien bereits in der Ukraine. Nach Ansicht der Experten vom
ISW ist es aber angesichts des Personalmangels an der Front
unwahrscheinlich, dass das russische Militär einen so großen Teil seiner
Streitkräfte in Reserve halte. Es handele sich möglicherweise um
zusammengewürfelte Einheiten.
Vier Millionen Einreisen aus der Ukraine nach Polen seit Kriegsstart
Polen hat seit Beginn des russischen
Angriffs auf die Ukraine vier Millionen Einreisen aus dem Nachbarland
registriert. Am Samstag kamen wieder 24.900 Menschen über die Grenze
nach Polen, wie die Behörde am Sonntag per Twitter mitteilte. In die
umgekehrte Richtung überquerten am Samstag 28.000 Menschen die Grenze
aus Polen in die Ukraine. Dabei handelte es sich nach Angaben der
Behörden zum Großteil um ukrainische Staatsbürger. Sie reisen meist in
Gebiete, die die ukrainische Armee zurückerobert hat.
Es gibt
keine offiziellen Angaben, wie viele der Kriegsflüchtlinge in Polen
geblieben und wie viele in andere EU-Staaten weitergereist sind. Polens
Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte kürzlich, sein Land habe mehr
als zwei Millionen Ukraine-Flüchtlinge aufgenommen. Die beiden Staaten
verbindet eine mehr als 500 Kilometer lange Grenze.