Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wird das von Russland in den vergangenen jahren eingenommene Staatsgebiet nicht komplett mit Gewalt zurückzuholen sein.
"Ich glaube nicht, dass wir unser gesamtes Territorium mit militärischen Mitteln zurückgewinnen können", sagte er in einem Interview, das sein Büro am Samstag in voller Länge ins Internet stellte. Bei einem solchen Vorgehen würden Hunderttausende Menschen getötet.
Das Interview wurde zuerst am Freitag im niederländischen Fernsehen gesendet. Russland hatte 2014 die Krim annektiert.
Selenskyj: Können nicht ganzes ukrainisches Gebiet zurückholen
Allerdings nähert sich die Ukraine
laut Selenskyj zufolge dem Punkt, an dem sie Russland technologisch und
bezüglich der Angriffsmöglichkeiten überlegen ist. "Natürlich hängt
viel von unseren Partnern ab und ihrer Bereitschaft, die Ukraine
mit allem zu versorgen, was zum Schutz der Freiheit benötigt wird",
sagte er in einer Videobotschaft. "Ich erwarte dazu gute Nachrichten in
der kommenden Woche." Einzelheiten nannte Selenskyj nicht. Die Lage im
Donbass sei kompliziert, sagte er weiter. Die Verteidiger hielten an
mehreren Orten die Stellungen, darunter Sewerodonezk und Lysytschansk.
Mychajlo
Podoljak, ein Berater Selenskyjs, forderte den Westen zur Lieferung
fortschrittlicher Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite für den
Kampf gegen Russland auf. "Wenn der Westen wirklich den Sieg der Ukraine
will, ist es vielleicht Zeit, uns MLRS zu geben?", teilte Podoljak am
Samstag auf Twitter mit. MLRS sind in den USA hergestellte
Artilleriesysteme.
US-Regierung überlegt Ukraine mit Mehrfachraketenwerfer zu beliefern
Die US-Regierung zieht einem Medienbericht
zufolge in Erwägung, fortschrittliche Mehrfachraketenwerfer mit hoher
Reichweite in die Ukraine
zu schicken. Die Artilleriesysteme MLRS und HIMARS könnten Geschosse
über bis zu 300 Kilometer abfeuern, hatte der Sender CNN am Donnerstag
unter Berufung auf mehrere Beamte berichtet. Ein neues militärisches
Hilfspaket könnte bereits in der kommenden Woche angekündigt werden.
Russland nahm strategisch wichtige Stadt Lyman in der Ostukraine ein
Die
strategisch wichtige Stadt Lyman in der Ostukraine wurde unterdessen
nach russischen Angaben eingenommen. Sie sei vollständig unter Kontrolle
russischer Truppen und den mit ihnen verbündeten Einheiten der
Volksrepublik Donezk, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit.
Am Freitag hatten bereits pro-russische Separatisten der selbst
ernannten "Volksrepublik Donezk" die Eroberung Lymans verkündet. Das
ukrainische Militär räumte indes nur einen Rückschlag im Kampf um Lyman
ein.
"Durch das gemeinsame Vorgehen von Einheiten der Donezker
Volksrepublik und der russischen Streitkräfte wurde die Stadt Krasny
Liman vollständig von ukrainischen Nationalisten befreit", sagte der
Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am
Samstag. Krasny Liman ist die noch aus sowjetischer Zeit stammende
Bezeichnung für Lyman. Lyman ist als Eisenbahnknoten und
Straßenverbindung zu den Ballungsräumen Sewerodonezk - Lyssytschansk im
Osten und Slowjansk - Kramatorsk im Südwesten strategisch wichtig.
Schwere Luft- und Raketenangriffe auf Bachmut und Soledar
Konaschenkow
berichtete zudem von schweren Luft- und Raketenangriffen gegen die
Städte Bachmut und Soledar im Gebiet Donezk. Getroffen worden seien
unter anderem Gefechtsstände und Munitionsdepots. Die ukrainischen
Verluste allein durch die Luftwaffe bezifferte der russische
Armeesprecher auf 260 Soldaten.
Der Feind "versucht sich im Raum
Lyman festzusetzen" und beschieße bereits Ortschaften außerhalb der
Stadt, hatte es zuvor am Samstag im Lagebericht des ukrainischen
Generalstabs geheißen. Am Vortag hatte der Generalstab noch von Kämpfen
in Lyman berichtet und mitgeteilt, die russischen Truppen versuchten,
die ukrainischen Verteidiger aus der Stadt zu drängen.
Sewerodonezk war weiteres Ziel russischer Angriffe in der Nacht
Sewerodonezk
war ein weiteres Ziel russischer Angriffe in der Nacht. Die Vorstöße
auf die Stadt sowie deren Vororte Toschkiwka und Oskolonowka seien aber
abgewehrt worden, teilte der Generalstab mit. Im nahe gelegenen Bachmut
hätten die Russen versucht, in den Rückraum der ukrainischen Kräfte zu
kommen und die Versorgungswege abzuschneiden. Auch diese Bemühungen
seien gescheitert.
Der Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj,
sprach von einer schwierigen Lage in Sewerodonezk. Zwar habe man genug
Mittel, um die Verteidigung zu halten, sagte er. Es könne aber sein,
dass sich das ukrainische Militär aus taktischen Gründen zurückziehe.
Russische Soldaten seien in der Stadt.
Insgesamt 10.000 russische Soldaten in der Region Luhansk
Seinen Schätzungen zufolge
halten sich in der Region Luhansk insgesamt 10.000 russische Soldaten
auf. Das seien die Einheiten, die dauerhaft dort seien, die versuchten,
anzugreifen und in jede Richtung vorzurücken, in die sie das könnten,
sagte der Gouverneur im ukrainischen Fernsehen laut Reuters. Unabhängig
überprüfen kann die Nachrichtenagentur diese Angaben nicht.
Nach Einschätzung britischer Geheimdienste dürften sich die russischen Streitkräfte in der Ukraine
auch in den kommenden Tagen auf die Kleinstadt Lyman als Knotenpunkt
konzentrieren. Sollte es Moskau gelingen, die Stadt sowie die Region um
die Großstadt Sewerodonezk unter seine Kontrolle zu bringen, werde der
Kreml dies seinen Bürgern als wichtigen politischen Erfolg verkaufen,
schreiben die Briten. Schon seit Beginn des Krieges veröffentlicht die
britische Regierung in ungewöhnlich offener Art und Weise regelmäßig
Geheimdienstinformationen zum Verlauf des Angriffskriegs. Moskau wirft
London eine gezielte Desinformationskampagne vor.
Schwere Schäden in Solarkraftwerk in der REgion Charkiw
Ein Fotograf der
Nachrichtenagentur Reuters berichtete von schweren Schäden an einem
Solarkraftwerk in der Region Charkiw. Offenbar sei die Anlage von einer
Rakete getroffen worden. Der ukrainische Generalstab hatte mehrere
russische Angriffe auf Gemeinden und Infrastruktur-Einrichtungen in der
Region gemeldet.