Gastkommentar von Johannes Huber. Der Bundespräsident kann sich eine klare Bestätigung im Amt nur selbst erschweren. Und das hat er gleich zum Wahlkampfauftakt auch getan.
Zunächst
lief ja alles superprofessionell ab: Sonntag, kurz nach 16 Uhr, verkündete
Bundespräsident Alexander Van der Bellen, sich um eine Wiederwahl bemühen zu
wollen. Wenig später folgte ein Video, in dem er dies begründete. Und tags
darauf gab es eine Pressekonferenz, auf der er erklärte, was Österreich in den
kommenden sechs Jahren brauche. Nämlich „Erfahrung, Ruhe und Unabhängigkeit“,
also ihn, den 78-Jährigen, der kein junger Hupfer mehr sein will.
Dann
folgte jedoch etwas, was vollkommen unnötig ist: In einem ZIB2-Interview machte
der Bundespräsident einen Unterschied zwischen Ibiza- und türkisen Affären der
jüngeren Vergangenheit. Und zwar insofern, als er Ex-Vizekanzler und FPÖ-Chef
Heinz-Christian Strache ziemlich klar aburteilte und bei Sebastian Kurz (ÖVP)
und Seinesgleichen zurückhaltend auf die Unschuldsvermutung verwies.
Dabei
ist die Sache klar: Mit dem, was Strache in dem Video sagte, hat er sich nicht
strafbar gemacht. Es hat in Aussicht gestellt, eine Zeitung zu kaufen und
öffentliche Aufträge willkürlich zu vergeben (jeweils zugunsten einer vermeintlichen
Oligarchin). Für derlei kann man in Österreich leider noch nicht belangt
werden; ein entsprechendes Gesetz ist angekündigt, lässt jedoch auf sich
warten. In diversen Chats aus der Polit-Familie Kurz dagegen sind sehr konkrete
Praktiken – wie das Manipulieren von Umfragen – ausgeführt, die mutmaßlich auch
umgesetzt wurden. Jetzt kann man darüber streiten, was schlimmer ist; die
türkisen Affären sind zumindest um nichts besser.
Der
deutsche „Spiegel“ schreibt in einem Newsletter, den er gemeinsam mit dem
Wiener „Standard“ betreibt, Van der Bellen wolle offenkundig ÖVP-Wähler nicht
vergraulen. Das ist eine naheliegende Erklärung dafür, dass er mit zweierlei
Maß misst. Es dürfte sich weder um einen Ausrutscher handeln noch um ein
Missverständnis.
Der
Bundespräsident wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Herbst
wiedergewählt werden. Und zwar mit sehr großer Mehrheit. Knapp 70 Prozent der
Österreicher sagen im Rahmen einer Erhebung, die das Meinungsforschungsinstitut
OGM regelmäßig durchführt für die Austria Presseagentur (APA), sie würden ihm
vertrauen. Daran kommt kein einziger Politiker auch nur annähernd heran.
Also
hätte es Van der Bellen nicht nötig, irgendeine Wählergruppe zu schonen. Im
Gegenteil, Überparteilichkeit könnte gerade auch in Korruptionsfragen etwas
sein, was ihm Zuspruch beschert. Zumal das Ganze auch sehr positiv kommuniziert
werden könnte: Das Problem sind nicht so sehr Kurz oder Strache als Person. Das
Problem ist, dass es weder Transparenz noch ausreichende Verhaltensregeln für
Parteien, Politiker und Beamte gibt. Stattdessen existieren Amtsgeheimnis und
Verschleierung, also beste Voraussetzungen, um Sümpfe zu erhalten. Hier könnte
ein Staatsoberhaupt wieder einmal einer Trockenlegung das Wort reden.
Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik