Die massiven Angriffe Russlands im Osten der Ukraine bringen die Verteidiger immer mehr in Bedrängnis. Präsident Selenskyj betonte jedoch erneut, dass "die Ukraine kämpft, bis sie ihr gesamtes Territorium zurück hat."
Im Osten der Ukraine bringen massive russische Angriffe mit Artilleriebeschuss und Luftangriffen die ukrainischen Verteidiger immer weiter in Bedrängnis. Der Beschuss auf die Großstadt Sjewjerodonezk dauerte den ganzen Mittwoch an, wie der ukrainische Generalstab mitteilte. Das Verwaltungsgebiet Luhansk im Donbass sei zu 95 Prozent von russischen Truppen erobert, sagte Gouverneur Serhij Hajdaj. Die Lage sei "extrem schlecht".
Selenskyj fordert Weltgemeinschaft zu Entscheidung auf
Präsident
Wolodymyr Selenskyj rief deshalb die Weltgemeinschaft auf, sich
eindeutiger auf die Seite seines Landes zu stellen. Er zeigte sich in
einer Videoansprache enttäuscht auch von den Beratungen beim
Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz. "Egal, was der russische
Staat tut, es gibt jemanden, der sagt: Lasst uns seine Interessen
berücksichtigen", sagte Selenskyj. "Und das trotz Tausender russischer
Raketen, die die Ukraine treffen. Trotz Zehntausender getöteter
Ukrainer. Trotz Butscha und Mariupol".
Selenskyj wurde am Mittwoch per Video zu einer Gesprächsrunde in Davos zugeschaltet und sagte, die Ukraine werde kein Gebiet abgeben. "Die Ukraine kämpft, bis sie ihr gesamtes Territorium zurück hat."
Das Treffen in Davos geht am
Donnerstag weiter. Erwartet werden Auftritte von Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD) und des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko.
Ukrainische Verteidiger im Osten unter Druck
Sjewjerodonezk
und das benachbarte Lyssytschansk sind die letzten großen Städte, die
im Gebiet Luhansk noch von ukrainischen Truppen gehalten werden.
Russland will das Gebiet vollständig erobern, um es der so genannten
Volksrepublik Luhansk zuzuschlagen. Diese hatte Moskau wenige Tage vor
dem Angriff auf die Ukraine als unabhängigen Staat anerkannt - genauso
wie die Volksrepublik Donezk.
Der ukrainische Generalstab berichtete auch von Angriffen auf die Orte Berestowe, Lypowe und Nyrkowe. Diese liegen im Rückraum der ukrainischen Verteidiger an der strategisch wichtigen Straße nach Bachmut. Zwar hieß es, die Attacken seien abgewehrt worden. Doch überprüfbar waren die Angaben nicht. Ausländische Beobachter befürchten, dass mehrere ukrainische Brigaden in Sjewjerodonezk eingekesselt werden könnten.
Keine Rede von Rückzug der ukrainischen Armee
"In einigen
Richtungen haben die russischen Gruppierungen zweifellos taktische
Erfolge, das ist im Prinzip auch kein Geheimnis", sagte Olexander
Motusjanyk, Sprecher des Verteidigungsministeriums, in Kiew. Es sei aber
nicht richtig, von einem Rückzug zu sprechen. Die ukrainische Armee
versuche zu manövrieren, um ihre Position zu verbessern und wieder
anzugreifen.
Als Beispiel für die Notlage im Osten nannte
Gouverneur Hajdaj die Bestattung von mindestens 150 Menschen in einem
Massengrab in Lyssytschansk. Die Polizei müsse als Bestatter aushelfen.
In dem Grab seien sowohl Opfer des russischen Beschusses beigesetzt
worden als auch Menschen, die eines natürlichen Todes gestorben seien.
Ein Video zeigte, wie Leichen in weißen Säcken - jeder mit dem Namen
versehen - in eine Grube geworfen wurden. Nach dem Krieg sollten die
Toten ordentlich beigesetzt werden, versprach der Gouverneur.