Ernährungsexpertinnen und -experten schlagen Alarm: Der Zuckergehalt in Limonaden in Österreich ist seit rund zehn Jahren zwar um knapp 20 Prozent gesunken, doch jetzt stagniert die Zuckerreduktion.
Das ist ein Ergebnis des Getränke-Checks 2022 des Salzburger Instituts SIPCAN (Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition). 45 Prozent aller Getränke erfüllen die WHO-Kriterien nicht: Sie sind zu süß, der Zuckeranteil ist im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht gestiegen.
Zucker- und Süßstoffgehalt: 500 Getränke am österreichischen Markt geprüft
Das Salzburger Institut überprüft seit 2010 jährlich im Zeitraum November bis Februar über 500 Getränke am österreichischen Markt auf ihren Zucker- und Süßstoffgehalt. Die aktuellen Ergebnisse des Getränke-Checks 2022 zeigen, dass der durchschnittliche Zuckergehalt im Vergleich zum Vorjahr erstmals seit 2012 nicht weiter gesunken ist, sondern bei sechs Gramm stagniert (6,06 g pro 100 ml, im Vorjahr: 6,01 g), wie Studienleiter Manuel Schätzer erläuterte.
"Es ist enorm
wichtig, ein Bewusstsein für die potenziell hohe Zuckeraufnahme über
Getränke zu schaffen, die enthaltenen Zuckermengen aufzuzeigen und die
gesündere Wahl zur leichteren Wahl zu machen", so Schätzer. "Mit unserer
Arbeit konnten wir in den vergangenen Jahren zeigen, dass eine positive
Änderung im Sinne einer langsamen, aber stetigen Zuckerreduktion
möglich ist."
Zuckergehalt stagniert: Das sind die Gründe
Dass nun der Zuckergehalt stagniert, dafür nannte der Ernährungswissenschafter im APA-Gespräch vor allem zwei Gründe: Erstens sei der Zuckergehalt bei Getränken, die den SIPCAN-Kriterien noch nicht entsprechen, zu wenig gesenkt worden. Zweitens würden sich die Hersteller von Produkten aus dem Ausland, die in den letzten Jahren verstärkt in den österreichischen Markt gedrungen sind, noch zu wenig an diesen Kriterien orientieren.
Referenzwerte: Getränke sollten maximal 6,7 Gramm Zucker pro 100 Milliliter haben
Für eine gesündere Getränkewahl
legte das Salzburger Institut Orientierungskriterien fest - in Anlehnung
an die entsprechenden Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
und der D-A-CH-Referenzwerte für Nährstoffzufuhr. Diese lauten, dass
Getränke maximal 6,7 Gramm Zucker pro 100 Milliliter (inklusive
natürlich enthaltenem Zucker) und keine Süßstoffe enthalten sollen.
Der
aktuelle Getränke-Check zeigt, dass 45 Prozent aller Getränke diese
Kriterien immer noch nicht erfüllen, also zu süß sind oder Süßstoffe
enthalten. Zudem ist der Anteil im Vergleich zum Vorjahr (42,4 Prozent)
sogar etwas gestiegen. 12,1 Prozent aller Getränke fielen beim aktuellen
Check durch, weil sie Süßstoffe enthalten (12,5 Prozent im Vorjahr).
Hoher Zuckeranteil: Höheres Risiko für Adipositas
Ein
hoher Zuckeranteil in Getränken wird von Ernährungswissenschaftern auch
mit einem höheren Risiko für Adipositas in Verbindung gebracht. "Die
vergangenen beiden Jahre der Corona-Pandemie haben uns vieles gelehrt
und einiges verändert. Leider auch, dass Übergewicht beziehungsweise
Adipositas als Risikofaktoren für zahlreiche Folgeerkrankungen und
gerade auch für einen schweren Covid-19-Erkrankungsverlauf noch ernst zu
nehmender sind", heißt es in der aktuellen Studie.
Eine
internationale Studie aus dem ersten Coronajahr 2020 ergab, dass
Menschen im Lockdown zu mehr frittierten und süßen Lebensmitteln
greifen, vor allem Jugendliche im Alter von zehn bis 19 Jahren. Die
Wissenschafter des Salzburger Instituts äußerten sich besorgt darüber,
dass gerade während der Pandemie der Anteil der übergewichtigen Menschen
gestiegen ist. Aktuellen Daten von über 190.000 Kindern und
Jugendlichen aus den USA zufolge seien besonders die Fünf- bis
Elfjährigen betroffen. "So sind darunter bereits 45,7 Prozent
übergewichtig oder adipös, während es vor der Pandemie noch 36,2 Prozent
waren."
BMI-Daten-Erhebung an Kärntner Volksschulen zeigte bedenkliche Pandemie-Auswirkungen
Eine Erhebung der BMI-Daten an Kärntner Volksschulen bestätige dies auch für Österreich, allerdings auf niedrigerem Niveau: "Waren im Herbst 2019 noch 15 Prozent der sieben- bis zehnjährigen Mädchen übergewichtig oder adipös, so lag der Anteil nach einem Jahr Pandemie bereits bei 19,6 Prozent." Noch stärker sind die Buben betroffen, ihr Anteil stieg von 15,4 auf 21,3 Prozent. Als Ursachen dafür werden die geänderten Lebensumstände durch die verantwortlich gemacht: reduzierte körperliche Aktivität und vermehrt sitzendes Verhalten in Kombination mit einer ungünstigen Ernährung.
In
Getränken kann der Mensch in kürzester Zeit eine große Menge an Zucker
aufnehmen. Ein Viertel-Liter-Glas Limonade enthält im Durchschnitt knapp
sieben Stück Würfelzucker und damit schon rund die Hälfte des täglich
empfohlenen Höchstwertes. Dieser wurde von der WHO für einen
durchschnittlichen Erwachsenen mit 50 Gramm (etwa zehn Teelöffel) freiem
Zucker angegeben. Darin beinhaltet ist auch jener Zucker, der natürlich
in Honig, Sirup oder in Fruchtsäften vorkommt.
WHO: Zuckerreiche Getränke eine der Hauptursachen für Übergewicht
Zuckerreiche
Getränke gelten laut der WHO als eine der Hauptursachen für die
Entstehung von Übergewicht, Adipositas und Diabetes-Typ-2. "Eine
Übersichtsarbeit über die Studienlage, bei der SIPCAN beteiligt war,
zeigte, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen dem Konsum von mit
Zucker gesüßten Getränken und Übergewicht gibt", erklärte
SIPCAN-Vorstand Friedrich Hoppichler. Er ist auch ärztlicher Direktor
und Internist am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg.
Das
Kriterium "keine Süßstoffe" wurde deshalb festgelegt, weil aus Sicht
der Experten der Ersatz von Zucker durch Süßstoffe keine
zufriedenstellende Lösung ist. "In einer aktuellen Studie mit über
100.000 Erwachsenen konnte gerade der lange vermutete Zusammenhang
zwischen Süßstoffkonsum und einem erhöhten Tumorrisiko bestätigt werden.
Ziel ist außerdem, dass sich Konsumentinnen und Konsumenten langfristig
an weniger Süße gewöhnen. Und dies gelingt nicht mit Süßstoffen statt
Zucker", warnte Hoppichler.
Mediziner-Appell: Getränkeproduzenten sollen weiter an Zuckerreduktion arbeiten
Der Mediziner appellierte an die
Getränkeproduzenten, weiter an einer Zuckerreduktion zu arbeiten, aber
auch an die Konsumentinnen und Konsumenten, ihre Getränke bewusst auf
Nährwerte und Zutaten zu checken. "Greifen Sie zunehmend zu Getränken
mit weniger Süße und achten Sie bei süßeren Getränken ganz gezielt auf
eine moderate Portionsgröße." Bei neuartigen Produkten, bei denen Wasser
durch Zugabe einer Mischung aus Vitaminen, Mineralstoffen, Aromen und
auch Süßstoffen in ein "funktionales Getränk" verwandelt werden, sollte
die Zutatenlisten besonders genau gelesen werden, um Süßstoffe wie
Aspartam, Cyclamat, Sucralose und Co. aufzuspüren.
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