In einem hochgeschlossenen Kleid zieht eine Frau einen Koffer durch die staubige Prärie. Die reiche Witwe Catherine Weldon reist 1890 im Luxuszug nach North Dakota, sie will den Häuptling Sitting Bull malen. Bei den Soldaten und Siedlern im Westen stößt sie auf Misstrauen und Ablehnung, sie sehen die Indianer als Konkurrenten und Feinde. “Die Frau, die vorausgeht” erzählt davon ab Freitag im Kino.
Die Frau, die vorausgeht: Kurzinhalt zum Film
Im Fokus steht Weldon, die der männerdominierten weißen Gesellschaft trotzt und zu einer Kämpferin für die Rechte der Indianer wird. Die Geschichte basiert auf realen Begebenheiten, Weldon hat tatsächlich gelebt und Sitting Bull porträtiert; der Film von Susanna White nimmt sich aber dramaturgische Freiheiten.
Anfangs wirkt Weldon reichlich naiv und weltfremd. Jessica Chastain unterstreicht das als Hauptdarstellerin mit der mädchenhaften Anmutung einer jungen Frau, die bisher ein offensichtlich behütetes und unbesorgtes Leben geführt hat. Von einem Indianer lässt sie sich das Gepäck stehlen, von den entbehrungsreichen Bedingungen im Wilden Westen hat sie keine Ahnung. Gleichzeitig ist sie hartnäckig und eigensinnig, entgegen dem Befehl des Kommandanten verlässt sie das Fort nicht, sondern schafft es, den sagenumwobenen Sitting Bull zu treffen.
Der Häuptling (Michael Greyeyes) hat sich inzwischen in dem Reservat niedergelassen. Catherine überrascht er mit seiner Weltläufigkeit, zudem ist er bereit, sich malen zu lassen. Immer mehr erfährt Weldon über das Leben der Indianer. Als die Regierung versucht, die Stämme auszuhungern und ihnen weiteres Land abzunehmen, ist klar, auf wessen Seite sie steht. Davon lässt sie sich auch nicht abbringen, als sie verprügelt wird.
Mit ihrer Reise in die Fremde will sich Weldon auch von ihrem alten Leben befreien: In einer der ersten Szenen wirft sie das Gemälde ihres verstorbenen Mannes in einen Fluss. Was andere über sie denken, soll sie nicht länger kümmern. Am Ende hält sie das Porträt von Sitting Bull in den Händen.
Die Frau, die vorausgeht: Die Kritik
Dennoch bleibt die Figur, deren historisches Vorbild eine starke selbstbewusste Frau gewesen sein muss, seltsam blass. Woher nimmt Weldon Mut und Kraft, sich gegen die weiße Mehrheit zu stellen, eine einzelne Frau in der rohen Männergesellschaft des Wilden Westens Ende des 19. Jahrhunderts? Reichlich pathetisch und wie ein Kalenderspruch wirkt es dann auch, wenn Sitting Bull der Malerin rät, “mehr zu leben”. Die zivilisationsmüde Weiße und der weise Wilde – mehr Klischee geht kaum.
Greyeyes spielt den stolzen Häuptling, der einer der einflussreichsten Indianer der Geschichte und das Symbol des Widerstands war, bedächtig und melancholisch. Oscar-Gewinner Sam Rockwell überzeugt in der Rolle des Colonels Silas Groves, der die Malerin lieber heute als morgen wieder nach New York zurückschicken würde, um ungestört die Pläne der Regierung durchsetzen zu können.
Die Geschichte hätte alle Zutaten für ein packendes Drama gehabt, aber der Film will vielleicht zu viel: eine Frau, die nach Unabhängigkeit strebt; die grausamen Kämpfe zwischen Indianern und Siedlern; der Widerstand der Indianer. Das ist schön gefilmt und die Aufnahmen der weiten Landschaft sind immer wieder atemberaubend, aber auch schon oft gesehen.
Am Ende werden Texttafeln zu dem Massaker am Wounded Knee eingeblendet. Zudem wird erwähnt, dass Weldons Porträt von Sitting Bull in Bismarck in North Dakota hängt und sie eine Verfechterin der Rechte der Ureinwohner blieb. “Die Frau, die vorausgeht” – so der indianische Name Weldons – ist ein solides Werk, das eine vergessene Frau und deren ungewöhnlichen Weg ins Rampenlicht rückt.
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(APA/Red)