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Strache ist bald nackt

1-01-1970, 00:00

Man müsste zwei-, dreitausend Österreicher fragen, wer die wirkungsvollste Flüchtlingspolitik betreibe, um es wirklich seriös feststellen zu können. Gefühlsmäßig schaut die Sache aber so aus: Die überwiegende Mehrheit sagt „Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)“. Was dafür spricht: Die eindeutige Positionierung hat ihm den Wahlsieg im vergangenen Jahr beschert. Und sie ist nun auch ausschlaggebend dafür, dass er sich mit seiner Volkspartei recht weit vorne halten kann.

Das ist bitter für die Freiheitlichen von Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Mit „Ausländern“ im Allgemeinen und „Flüchtlingen“ im Besonderen haben sie thematisch immer nur gewonnen. Bis eben Kurz kam. Heute können sie in der Koalition an dessen Seite nur noch gute Miene zum bösen Spiel für sie machen. Mehr nicht. Die Tore schießt Kurz.

Und das wird sich zumindest im kommenden Halbjahr nicht ändern. Im Gegenteil: Der Kanzler nützt den EU-Vorsitz, um die Verhinderung einer Flüchtlingskrise wie im Jahr 2015 auf die europäische Ebene zu heben. Von der Bundesliga in die „Champions League“ quasi. Man wird sehen, wie das ausgeht. Zu verlieren gibt’s dort aber eher weniger: Länder wie Ungarn, Polen und nun auch Italien treten ebenfalls für einen restriktiven Kurs ein; und in Deutschland machen zumindest die Bayern Druck dafür.

Strache bleibt da nicht mehr viel. Während Kurz in den nächsten Monaten mehr in Brüssel und anderen Hauptstädten unterwegs sein wird, darf er sich um die verbleibende Innenpolitik kümmern. Das wird nicht lustig. Der U-Ausschuss zur Geheimdienstaffäre wird Ärger machen; dafür ist allein schon Peter Pilz noch immer lästig genug.

Daneben haben die Freiheitlichen in Regierungsverantwortung bisher eine ernüchternde bis selbstbeschädigende Bilanz vorzuweisen. Auf der Habenseite stehen „Rauchen in Lokalen“, „140 km/h auf Autobahnen“, „Rechtsabbiegen bei rot“ und die berittene Polizei. Ja, das sind allenfalls symbolische Maßnahmen, ganz sicher aber keine wahlentscheidenden Erfolge.

Zumal sie überlagert werden: Strache und Co. erreichten bei der Nationalratswahl bei Arbeitern rund 60 Prozent und tragen nun eine Politik mit, die gegen diese gerichtet ist. Das kann nicht gut ausgehen. Der Unmut über die Arbeitszeitflexibilisierung ist so groß, dass Strache schon anfangen muss, zurückzurudern. Mehr arbeiten soll demnach nur, wer Lust und Laune dazu hat. Sehr originell. Ob das durchgeht, bleibt abzuwarten.

Im Übrigen enttäuscht hat der Vizekanzler einen Teil seiner Anhängerschaft bei CETA: Was hatte er nicht lauthals und auch auf Plakaten eine „verbindliche Volksabstimmung“ darüber gefordert? Ergebnis: Seine Abgeordneten segneten das Freihandelsabkommen über die Köpfe der Bürger hinweg ab. Womit er zuletzt auch noch seine Glaubwürdigkeit verloren hat.

Johannes Huber betreibt den Blog – Analysen und Hintergründe zur Politik

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