Mit den Donots und WIZO haben am Samstag beim Nova Rock zwei Punk-Institutionen aus Deutschland das Publikum vor der Red Stage begeistert. Auf der Blue Stage rockten die rot-weiß-roten Genre-Kollegen von Turbobier, die auch einen Punk-Wandertag abhielten. “Die Show war der absolute Wahnsinn”, freute sich Ingo Knollmann, Sänger der Donots, über den Auftritt seiner Band am frühen Nachmittag.
Die “Marathonläufer” Donots und WIZO räumten ab
Man hatte den Slot nach vorne getauscht, um nicht gleichzeitig mit Turbobier spielen zu müssen. “Weißt du, wann die beste Zeit zum Auftreten ist?”, fragte der Frontman im APA-Interview. “Dann, wenn du spielst! Wenn du dich anstrengst, ist auch zwölf Uhr Mittag der beste Slot. Du hast immer Leute da. Wenn das nur fünf sind, nimm sie mit.” Vor der Red Stage fanden sich allerdings wesentlich mehr Fans ein und erlebten eine unterhaltsame Performance der Deutschen.
Zu hören waren auch Lieder von der neuen Studioproduktion “Lauter als Bomben”. “Das ist das erste Album, von dem man jeden Song nahtlos ins Programm einbauen kann”, meinte Knollmann. “Das liegt am Songwriting. Es ist immer die Ramones-Schule, die gewinnt: einstöpseln, one, two, three, four – und wenn das nicht knallt, dann fuck it!”
Da man seit einiger Zeit auf deutsche Texte umgestiegen ist, sei es den Donots ein Anliegen gewesen, ihre Haltung erneut klar zu positionieren. “Wir sind nicht unbedingt eine rein politische Band, aber uns ist wichtig, dass die Leute wissen, wo wir stehen”, sagte Bassist Jan-Dirk Poggemann. “Es gibt diesen Spruch: Jede Band bekommt die Fans, die sie verdient. Die kannst du dir aber tatsächlich verdienen. Ich hätte keinen Bock darauf, dass irgendwelche Grauzonen-Assis bei uns vor der Bühne stehe. Hier waren heute nur Leute, die friedlich Spaß haben wollten.”
Eines fiel am Nova Rock auf, die etablierten Punkgruppen wie Donots, Bad Religion und WIZO ziehen immer noch. Der Grund für die Langlebigkeit? “In dieser Szene siehst du mehr Marathonläufer als Kurzstreckensprinter. Letztere kommen schnell weiter, stolpern aber im Ziel oder bekommen einen Ego-Muskelkater. Die Punkbands machen das anders, sie rennen an Trends vorbei, rackern sich ab, sind nicht von Hits abhängig”, analysierte Knollmann.
“Nova ist der Hammer!”
“Hätten wir uns das gedacht damals? Wir hatten alle nicht vor, älter als 30 zu werden”, sagte dazu Axel Kurth, Sänger und Gitarrist von WIZO. “Irgendwann sind wir aufgewacht und waren 40. Dann resümiert man und merkt, dass man trotzdem seine Miete zahlen muss. Etwas Gescheites gelernt haben wir ja nicht. Also machen wir weiter – abgesehen davon, dass es Spaß macht. Wir haben zweieinhalb Jahre nicht gespielt, und jetzt stehe ich endlich wieder auf der Bühne. Das klingt kitschig und überstrapaziert, aber ich bin wieder da, wo ich hingehöre.”
Die Punks aus Sindelfingen, 1986 gegründet, zwischenzeitlich aufgelöst und mit veränderter Besetzung wiedergeboren, hatten zuletzt das Album “Der” veröffentlicht. Im Winter 2019 geht man nach nur vier Festivalauftritten diesen Sommer (der erste am Nova Rock) unter dem Motto “Schönheit des Verfalls” auf Tournee, am 12. Februar gastieren sie in Lendorf (Festsaal), am 14. Februar im Grazer Orpheum und am Tag darauf in der Arena Wien. “Ich bin ein erklärter Festival-Skeptiker”, erzählte Kurth. “Unsere Musik ist eigentlich Kammermusik, die gehört in einen mehr oder weniger kleinen Kasten mit schwitzigen Wänden und einem Dach oben drüber. So funktioniert die Musik. Im Club kann ich in Dialog mit dem Publikum treten. Bei Festivals sehe ich Riesenräder, riesige Getränkewerbungen und eine Hackfleischmasse mit Haaren.”
Dann musste er aber während der Performance zugeben: “Nova ist der Hammer!” Denn die Stimmung hätte nicht besser sein können. WIZO fuhren politische Kracher auf (“Ganz klar gegen Nazis”), präsentierten Neues von einem kommenden Album, begeisterten aber auch mit Späßchen wie dem Titellied von Pippi Langstrumpf in einer Highspeed-Version. Die Mischung aus unverblümter, manchmal radikaler Sozialkritik, Hauruck-Punk und melodischen, eingängigen Songs funktionierte prächtig.
Kurzweiliger Samstag für Festivalbesucher und Einsatzkräfte
Apropos radikal: Body Count brachten bei ihrem Brachial-Set am Nachmittag natürlich auch das umstrittene “Cop Killer”, wobei Ice-T von Sen Dog von Cypress Hill, der mit seiner Nebenband Powerflo hier war, unterstützt wurde. Begonnen hatte die Formation mit dem Slayer-Cover “Raining Blood/Postmortem” – Härte war dann auch Programm.
Schwieriger hatten es offenbar The Last Internationale. “Ich war so angefressen, denn die Band war stark, die Energie da, aber dann hatte ich Probleme mit meinem Equipment. Ich konnte mich im Monitor nicht hören, dafür war der Bass zu hoch, aber das Publikum ging voll mit”, jammerte Gitarrist Edgey Pires mit einem Lachen auf den Lippen. Seine Sängerin Delila Paz fiel ihm beim Interview ins Wort: “Immer diese Gitarristen! Wir haben es sehr genossen, es war cool, weil wir nach den Rocknummern zu Beginn sanften, akustischen Folk gespielt haben – und all die hartgesottenen Besucher haben aufmerksam zugehört.”
Für die Einsatzkräfte war der dritte Nova-Tag ein “kurzweiliger Samstag”, wie es in einer Aussendung hieß. “Heute hatten wir zwar viele Versorgungen, die meisten Behandlungen waren aber nur gegen alltägliche Wehwehchen”, schilderte Thomas Horvath vom Roten Kreuz Burgenland. “Ohrenschmerzen, Halsschmerzen, leichte Verbrennungen oder Sonnenbrände, Verbandswechsel nach bereits erfolgten Versorgungen. Außerdem macht sich die Kälte der ersten Tage jetzt durch Blasenentzündungen und Co bemerkbar.”
Harte Arbeit zahlt sich aus: Volbeat zogen ihr Ding durch
Wer hart arbeitet, wird die Lorbeeren ernten: Das trifft auf die dänische Band Volbeat definitiv zu. Seit mehr als 15 Jahren unterwegs, bewiesen die Burschen um Sänger und Sympathieträger Michael Poulsen am Samstagabend beim Nova Rock, dass mit einer Mischung aus Elvis, Johnny Cash und Slayer beinahe jeder erreicht werden kann. Dem hatte Sister Bliss von Faithless nichts entgegenzusetzen.
“You’re too kind, man.” Mit einem breiten Grinser, die Gitarre lässig um Hüfte baumelnd, bedankte sich Poulsen nicht nur einmal bei den zig tausenden Fans, die brav die Devilhorns in die Luft streckten und zu “Ring of Fire” lockere Tanzschritte auf den mittlerweile staubtrockenen Boden der Pannonia Fields hinlegten. Die Show selbst war auf das Wesentliche reduziert und kam angenehm hemdsärmelig daher. Wozu auch ein großes Brimborium an Bühnenaufbauten auffahren, wenn es letztlich um klassischen Rock’n’Roll geht, den Volbeat eben in eine härtere Richtung deuten.
Sowohl bei “Lola Montez” als auch der Slayer-Verbeugung “Dead but Rising” saß jedes Riff, servierte Leadgitarrist Rob Caggiano einige Schmankerl auf seinem Instrument und gab es bei den fleißig ackernden Bühnenarbeiten kaum einen Wunsch, der offen geblieben wäre. Neu oder originell? Wer danach Ausschau hält, ist wohl bei anderen Acts besser aufgehoben. In Sachen Massentauglichkeit bei gleichzeitig hoher Qualität war Volbeat an diesem Nova-Rock-Wochenende bisher aber unerreicht. Dass Poulsen auch noch einer der nettesten Menschen im Metalzirkus ist, kann gewissermaßen als Bonus betrachtet werden.
Zweiter Headliner beim Nova Rock 2018: Billy Idol
Der zweite Headliner Billy Idol führte in den Sound der 80er zurück, als er den Punk in den Pop gebracht und mit Hits wie “Rebel Yell” die Dekade mitgeprägt hat. Die Darbietung des Briten mit dem markanten blonden Kurzhaarschnitt war naturgemäß retro, aber nicht angestaubt. Idol begann mit “Shock to the System” und holte rasch die zwischenzeitlich abgewanderten Massen vor die Red Stage zurück. Der Sound war klar, die Band tight, der Sänger in solider Form – und ab “Flash for Fantasy” mit nacktem Oberkörper unter der geöffneten Jacke. Rockstar pur. Auch Sidekick Steve Stevens mit toupiertem Haar an der Gitarre zeigte keine Alterserscheinungen, seine Licks saßen wie sein Styling.
Ein Paradoxon ist hingegen Limp Bizkit: Die Band um den (ehemaligen) Kapperlträger Fred Durst war Ende der 90er und Anfang der 2000er eine der wichtigsten Adressen in ihrem Bereich, maßgeblich an der Hochzeit von Nu Metal und Crossover beteiligt. Dass man eigentlich seit 15 Jahren nichts Relevantes mehr auf den Markt gebracht hat, störte offenbar weder die Festivalbesucher noch die Musiker selbst. Alte Hits aus eigenem Haus (“My Generation” oder “Break Stuff”) wurden mit Klassikern vom Kaliber “Killing in the Name” (Rage Against The Machine) gekreuzt. Gehaltvoll geht zwar definitiv anders, allerdings musste man auch zugeben: So wie bei Limp Bizkit ging die Menge bei kaum einer anderen Band ab.
Fehlbesetzung im Line-up
Das musste auch Sister Bliss von Faithless zur Kenntnis nehmen. Mit ihrem DJ-Set auf der Red Stage gab es vor Billy Idol nicht nur einen krassen Stilwechsel, nachdem zuvor WIZO mit knackigem Punkrock abgeräumt hatte. Auch die Umstände hatten sich quasi um 180 Grad gedreht: Statt mehreren tausend Menschen war es nur einige Hundert, die sich Hits wie “Insomnia” sowie eine aufwändige Lichtshow nicht entgehen ließen. Dabei konnte man der Künstlerin kaum einen Vorwurf machen, hier handelte es sich schlicht um eine Fehlbesetzung im Line-up.
Dafür war der restliche Samstag eigentlich eine sichere Bank: Von Bullet For My Valentine mit ihrem mittlerweile schon fast poppigen Modern Metal über kurzweiligen Hip-Hop beim Salzburger Dame bis zu Powerflo, die als Headliner auf der Red Bull Stage nichts anbrennen ließen und wohl zum Härtesten zählten, was beim diesjährigen Nova Rock zu erleben war, gab es reichlich Angebote, um verschiedenste Vorlieben zu bedienen. Erste Ermüdungserscheinungen machten sich beim Publikum dennoch breit. Aber einen Tag gilt es noch durchzuhalten, denn am Sonntag wartet Iron Maiden.
(APA/Red)