Im Rahmen des Symposiums “1918-2018 aus mitteleuropäischer Sicht” sagte sie am Donnerstag in Wien, dass dieser Blick “nicht empörend, mit dem Zeigefinger und schon gar nicht ideologisch” sein dürfe. “Manches, das wir erleben, erscheint wie ein Spiegel in eine überwunden geglaubte Vergangenheit”, sagte Kneissl vor dem Hintergrund des Zerfalls der Donaumonarchie nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918. “Wachsendes Hegemoniestreben”, zunehmender “Nationalismus” und “Demokratiemüdigkeit” erinnerten an Entwicklungen im vergangenen Jahrhundert.
Die mit dem Untergang der Monarchie einhergehende “Zersplitterung des Wirtschaftsraumes” und die Beziehungen der neu entstandenen Staaten seien von “Ängsten und Misstrauen” geprägt gewesen, dessen Konsequenz ein “allgemeines Gefühl der Instabilität” gewesen sei. Die daraus resultierende “Schwächung der Demokratie” habe zu “Autoritarismus und Totalitarismus” geführt. Die Folgen des Ersten Weltkrieges seien möglicherweise erst nach dem Zerfall des Ostblocks 1989 verarbeitet worden.
Donaumonarchie und EU-Staatenbund
Der ehemalige ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek verwies auf die Parallelen zwischen der Donaumonarchie und der EU als Staatenbund. Ab 1918 habe man plötzlich “alle paar hundert Kilometer” den “Pass herzeigen” müssen, “das gab es davor nicht”, sagte er. Auch ein gemeinsamer Wirtschaftsraum sei damals schon Realität gewesen. Dies sei keine “kulturelle Nostalgie”, sondern “bindende Gewalt”.
“Ich bin kein Monarchist, aber wir haben ein ungeheures Erbe, vor allem kulturell”, so Busek weiter. Er plädierte für die Unterstützung der EU-Erweiterung im Raum der alten Monarchie: “Wir waren ja schon einmal beieinander.” Auch der Direktor der Diplomatischen Akademie Wien Emil Brix betonte, dass Mitteleuropa “Spaltungen in der EU verhindern” könne und unterstrich die Rolle Österreichs als “Brückenbauer”.