Crowhurst wollte im Rahmen einer Regatta die Welt umsegeln, obwohl er zum damaligen Zeitpunkt nur Amateurkenntnisse besaß. Angetrieben wurde er vom Preisgeld von 5.000 Pfund sowie dem großen Vorbild Sir Francis Chichester, dem dieses Kunststück als erstes gelungen war. Doch das Leben spielt eben selten so, wie man es sich vorstellt – und das Abenteuerdrama “Vor uns das Meer” von James Marsh ist kein kitschiges Märchen, sondern die Nacherzählung eines tragischen Schicksals, das versucht, auf offene Fragen weitgehend unspekulative Antworten zu finden.
Vor uns das Meer – Die Handlung
Der zweifache Familienvater Crowhurst (Firth) lebt Ende der 1960er-Jahre ein wohlsituiertes Leben im englischen Teignmouth. Was seine Ehefrau Clare (Rachel Weisz) nicht ahnt: Um die Geschäfte ihres Mannes steht es schlecht. Da erfährt der leidenschaftliche Hobbysegler von einer Regatta: Wer als erster alleine die Welt umrundet, erhält das Preisgeld von 5.000 britischen Pfund. Donald, der gerade erst ein neuartiges Navigationssystem entwickelt hat, sieht seine große Chance gekommen und bereitet sich trotz mangelnder Praxis auf das große Rennen vor.
Das Hochseesegeln will er sich während des Rennens selbst beibringen, genauso wie er auch das Schiff, das zum Zeitpunkt des Starts noch nicht ganz fertig ist, unterwegs fertigstellen will. Doch Donalds Träumereien werden ihm auf dem Ozean bald zum Verhängnis; genauso wie die Einsamkeit, die sich in Visionen und Wahnvorstellungen äußert. Nach und nach wird es immer unwahrscheinlicher, dass Donald sein Ziel erreicht.
Der ehemalige Dokumentarfilmer James Marsh konzentriert sich in seinem Schaffen vorwiegend auf die Nacherzählung echter Ereignisse. Für seine Stephen-Hawking-Biografie “Die Entdeckung der Unendlichkeit” wurde er zuletzt weltweit mit Preisen überhäuft. Auch “Vor uns das Meer” ist eine unaufgeregte Charakterstudie. Doch diesmal erweist sich der Verzicht auf stilistische Überhöhung und die Konzentration auf eine möglichst realitätsgetreue Inszenierung auch ein wenig als Spannungsblocker: Während Marsh die charakterliche Doppelbödigkeit seines einerseits träumerischen, andererseits durchaus egomanischen Protagonisten stilsicher einfängt, mangelt es der Geschichte im weiteren Verlauf ein wenig an Dynamik.
Vor uns das Meer – Die Kritik
Viele spannende Aspekte in “Vor uns das Meer” werden nur angerissen; etwa Donald Crowhursts sich sukzessive verschlechternder, psychischer Zustand. Da kommt der (hier recht offen gelassene) Vielleicht-Selbstmord fast aus dem Nichts, genauso wie der Nebenhandlungsstrang rund um Crowhursts Ehefrau Clare, bei dem die Belagerung durch sensationshungrige Journalisten nur behauptet wird. Wenn sich die Witwe nach Crowhursts Tod schließlich in einem flammenden Statement an die gierige Presse richtet, ist das zwar eine starke Szene, doch so ganz ohne erzählerisches Fundament fehlt es ihr an der notwendigen Emotionalität.
Trotzdem kann man sich nach dem Sehen von “Vor uns das Meer” gut ein Bild davon machen, was Donald Crowhurst gleichermaßen antrieb und schließlich – im wahrsten Sinne des Wortes – zu Fall brachte. Während der Geschichte erzählerisch ein wenig die Ecken und Kanten fehlen, ist das Drama inszenatorisch über jeden Zweifel erhaben. Kulisse, Make-up, Frisuren, Kostüme – all das atmet die Luft der späten 60er und versprüht so eine Authentizität, dass man im Laufe der Geschichte tatsächlich immer mehr das Gefühl bekommt, als zweiter Passagier an Bord von Crowhursts Schiff zu sein.
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(APA)