Eigentlich wollte sich Sawyer Valentini (Claire Foy) nur kurz beraten, sich nur kurz helfen lassen. Dass sie eine mentale Last mit sich herumschleppt, ist schon eingangs spürbar: Wie sie mit Kunden am Telefon umspringt (sie arbeitet in einem Finanzinstitut), wie sie plötzlich eine Art von Panik befällt bei der abendlichen Verabredung mit einem Mann.
Unsane – Ausgeliefert – Die Handlung
Nicht ganz ohne Grund ist Valentini vor paar Monaten umgezogen: Ein Stalker hatte es auf sie abgesehen; nun hofft die Frau auf so etwas wie einen ungestörten Neuanfang. Wie es sich aber für einen veritablen Thriller gehört, gerät Valentini bald in einen hochgefährlichen Strudel.
Das Unheil nimmt seinen Lauf als sie professionelle Hilfe sucht, sich zu einem Gespräch in eine Klinik begibt. In dieser psychiatrischen Einrichtung nämlich wird Valentini fortan festgehalten, und das gegen ihren erklärten Willen. Sie findet sich in einem düsteren Schlafsaal wieder, umringt von teils offensichtlich schwer kranken Patienten. Bald gibt es die ersten sedierenden Medikamente; auch mit dem verzweifelten Anruf bei der Polizei kann sich Valentini nicht befreien aus diesem Alptraum. Damit nicht genug: Ausgerechnet in einem der Klinikpfleger erkennt Sawyer ihren einstigen Peiniger, den Stalker.
Steven Soderbergh ist ein eigenwilliger Kopf, der keine Lust darauf hat, sich Erwartungen unterzuordnen. Ob sie nun vom Publikum kommen oder der Filmindustrie. Längst legendär etwa seine Ankündigung vor einigen Jahren, er wolle sich nun ganz vom Filmemachen zurückziehen, um sich der Malerei zu widmen. So wenig, wie Soderbergh sich tatsächlich an diese Ankündigung hat halten wollen (er dreht ja längst wieder Filme), so wenig scheint er nun Lust dazu zu haben, mit “Unsane” allzu viele Publikumserwartungen zu bedienen. Dafür ist der zwar recht stringent erzählte Thriller viel zu sperrig (was auch an den unperfekten iPhone-Bildern liegt) und ja, auch frustrierend. Man verlässt ihn mit Fragezeichen im Kopf.
Unsane – Ausgeliefert – Die Kritik
Claire Foy hingegen (bekannt geworden durch die TV-Serie “The Crown”), sehr präsente Hauptdarstellerin des Films, bemüht sich redlich, ihr Leiden glaubwürdig erscheinen zu lassen. Dass man zwischendurch an Psychiatrieklassiker wie “Einer flog über das Kuckucksnest” denken muss, ist ein schöner Nebeneffekt, der noch unterstützt wird durch die kaum gefällige, paradoxerweise fast altmodisch anmutende, durchs iPhone generierte, semidokumentarisch anmutende Bildästhetik.
Es gibt manch Moment in diesem Zwitterwesen von Film (“Unsane” vereint Elemente aus den Genres Horror, Psychothriller, Gesellschaftskritik), da man sich zurücksehnt zur farbseligen Leichtigkeit und stilistischen Brillanz von Soderberghs Vorgängerwerk “Logan Lucky”. “Unsane” wirkt wie ein Gegenentwurf: viel ernster, viel düsterer, viel schwerer als die mit Channing Tatum und Daniel Craig besetzte Einbruchskomödie. “Unsane” aber knüpft mit seiner Kritik an einer, nur vermeintlich aufs Patientenwohl ausgerichteten Pharma- und Psycho-Industrie gekonnt an einen Soderbergh-Film von 2013 an (“Side Effects”).
Schließlich gibt es Momente, in denen Soderbergh seine Genialität auch in “Unsane” unter Beweis zu stellen vermag: In der kurzen, völlig unerwarteten Szene etwa, die Matt Damon als Ratgeber in puncto Stalking-Prävention zeigt. Damon spricht einen Satz, der sehr schön unterstreicht, dass Steven Soderbergh, dieser fürs zeitgenössische US-Kino so wichtige Filmemacher, seinen Humor und seine Selbstironie nicht eingebüßt hat: “Das Smartphone”, heißt es da, “das Smartphone ist dein Feind!”. Welch wunderbare Aussage ausgerechnet in einem iPhone-Film.
>> Alle Filmstartzeiten zu “ Unsane – Ausgeliefert”
(APA)