
Wenn er einen Vortrag hielt, war der Saal voll – so auch im Juni 1998, als Stephen Hawking zum letzten Mal in Österreich war. So viele Menschen rannten dem altehrwürdigen Haus der Industrie in Wien die Türe ein, dass der Veranstalter der Autorin dieser Zeilen, die damals auch dabei war, freudig diktierte, man "hätte das Ernst-Happel-Stadion füllen können".
Das Phänomen Hawking erinnert an den ersten Science-Star Albert Einstein (bezeichnend auch, dass sich Hawking Einsteins Geburtstag, den 14. März, zum Sterben ausgesucht hat): Alle reden über seine Bücher, die kaum einer gelesen, geschweige denn verstanden hat. Nur die wenigsten hatten so viel Mut wie der Times-Rezensent des ruhmbegründenden Buches "Eine kurze Geschichte der Zeit". Er gestand offen, über Seite 29 nicht hinausgekommen zu sein. Wissenschaftsautor Robert Matthews brachte es einmal als "die Unfähigkeit der Medien, über Hawkings Rollstuhl hinauszusehen" auf den Punkt. Genau das wollen wir hiermit aber tun – über den Rollstuhl hinaus auf den Menschen schauen:
Stephen William Hawking wurde am 8. Jänner 1942 (am 300. Todestag von Galileo Galilei, wie er nicht müde wurde zu betonen) als Sohn einer Künstlerin (was er gerne verschwieg) und eines Tropenarztes geboren. In der Schule war er faul: "Ich war mittelmäßig in einer sehr intelligenten Klasse." Trotzdem erhielt er bereits da seinen Spitznamen: "Einstein".
Als Hawking 21 war, wurde diagnostiziert, was ihn erst seiner Muskeln, später der Stimme und schließlich jeglicher Mobilität beraubte. Lebenserwartung: zwei bis drei Jahre. "Als Trost erhielt ich vom Arzt die Auskunft, die Krankheit sei nicht schmerzhaft und greife den Intellekt nicht an. Trotzdem sah ich wenig Sinn, meine Forschungen fortzuführen, weil ich nicht damit rechnete, lange genug zu leben, um meine Promotion abzuschließen."
Warum es dann doch anders kam? "Entscheidend war, dass ich mich mit Jane Wilde verlobte, die ich zur Zeit der Diagnose kennengelernt hatte. Das gab mir einen Grund zu leben." Foto: APA/AFP/DESIREE MARTIN
Eine Tochter, zwei Söhne, eine Scheidung, eine zweite Ehe und eine weitere Scheidung folgten. 1986 beraubte eine Kehlkopfoperation den gelähmten Physiker seiner Stimme. Diese Aufgabe übernahm ein Sprachcomputer, mit US-Akzent, über den er – der Brite – sich stets lustig machte.
Viele hätten Hawkings Zustand unerträglich gefunden. Er machte immer wieder Witze darüber: Wenigstens komme er nicht in Versuchung, seine Zeit mit Joggen und Golfen zu vertrödeln. Er war überzeugt, in seinem Leben großes Glück gehabt zu haben. Die Krankheit sei "kein so großer Schlag" gewesen: "Bevor ich sie hatte, fand ich das Leben ziemlich langweilig. Ich glaube, jetzt bin ich glücklicher."
In einem Interview mit New Scientist meinte Hawking auf die Frage, worüber er sich am meisten den Kopf zerbreche: "Frauen. Sie sind ein totales Mysterium." Seine erste Frau Jane, die nach 26 Jahren Ehe ansonsten kaum ein gutes Haar an dem "Despoten Hawking" ließ, bescheinigt ihm: "Mit dem Verfall seine Körpers ist die Brillanz seines Geistes gewachsen." Sie sah es als Hauptaufgabe, ihn immer wieder daran zu erinnern, "dass er nicht Gott ist".
Mit einem Leben nach dem Tod rechnete er – Gott hin oder her – nicht: "Ich sehe das Gehirn als einen Computer an, der aufhört zu arbeiten, wenn seine Einzelteile nicht mehr funktionieren. Es gibt kein Leben nach dem Tod für kaputte Computer."
